Bootsbaunachwuchs beklagt drastische Mängel in der Ausbildung
Dabei ging es vor allem um die Organisation der Lern-Ort-Kooperation, die Nichterfüllung des Ausbildungsrahmenplans, den aus ihrer Sicht offensichtlichen Lehrermangel, Probleme bei der Durchführung der Prüfung, die Unterbringungssituation, die Verpflegung und die Freizeitgestaltung.
Die schulische Ausbildung der Auszubildenden für das Bootsbau-Handwerk findet für ganz Deutschland zentral in der Landesberufsschule für Bootsbauer der Handwerkskammer Lübeck in Lübeck-Travemünde auf dem Priwall statt. Der Priwall ist eine Halbinsel am Ostufer der Trave an der Grenze zu Mecklenburg und ist über eine Fährverbindung mit dem Ortskern von Travemünde verbunden.
Besonders problematisch, so die Unterzeichner des Briefes, sei die fehlende Organisation der sogenannten Lern-Ort-Kooperation. Die überbetrieblichen Lehrlingsunterweisungen (ÜLU) dienen dazu, die unterschiedlichen Spezialisierungen der Betriebe auszugleichen und die Lernenden auf einen einheitlichen Stand zu bringen. Pandemiebedingt seien jedoch einige ÜLU ausgefallen und seien nicht nachgeholt worden. Auch der fachspezifische Unterricht in der LOK sei oft nicht durchgeführt worden. Dadurch seien den Auszubildenden wichtige Fähigkeiten vorenthalten worden und sie seien nicht in der Lage gewesen, ihre Fertigkeiten auf das Niveau zu bringen wie andere Auszubildende.

Ein weiteres Problem sei die Nichterfüllung des Ausbildungsrahmenplans. Einige Themen seien gar nicht oder nur sehr sporadisch und damit unzureichend behandelt worden. Insbesondere für die Fachrichtungen Yachttechnik und Neu-/ Aus- und Umbau seien einige dieser Themen jedoch essentiell. Stattdessen wurden weniger relevante Lehrinhalte vermittelt.
Der Lehrermangel sei ein weiteres Problem, dem sich die Bootsbauer/-innen während ihrer Ausbildung stellen mussten. Das Lehrpersonal habe nicht immer den fachlichen Anforderungen entsprochen, und es kam vor, dass Lehrer/-innen Fächer unterrichteten, die nicht zu ihren Schwerpunkten gehörten. Die Bootsbauer/-innen halten dies für nicht akzeptabel, da es ihrer Meinung nach die Qualität der Ausbildung negativ beeinträchtigt.

Auch die Durchführung der Prüfung sei problematisch gewesen, schildern sie. Es habe eine schlechte Vorbereitung und oft fehlende oder falsche Materialien sowie unpräzise gestellte Prüfungsaufgaben gegeben. Zudem sei es seitens der Prüfer zu widersprüchlichen Aussagen gekommen. Auch kurzfristige Änderungen an der schriftlichen Prüfung hätten zu Verwirrung geführt. Wenn vorausschauend geplant worden wäre, hätten viele dieser Probleme vermieden werden können, so die Unterzeichner des Briefs.
Die Unterbringungs-Situation war aus ihrer Sicht ebenfalls unbefriedigend. Das Gästehaus sei laut den Bootsbauern/-innen vergleichbar mit einem “vorübergehenden Gefängnisaufenthalt mit täglichem Freigang” vergleichbar. Die Betten quietschten, die Türen klapperten, und es gäbe keine gemütlichen Sitzmöglichkeiten. Außerdem sei das Gebäude sehr hellhörig, was einen erholsamen Schlaf unmöglich mache. Auch die Sauberkeit ließ zu wünschen übrig und die Verpflegung wurde als unausgewogen und ungesund beschrieben.
Als letzten Kritikpunkt führen die Bootsbauer die Freizeitgestaltung an. Sie regen an, dass auf dem Priwall außerhalb der Schule und des Gästehauses ein zusätzlicher Treffpunkt eingerichtet werden solle, der von den Auszubildenden genutzt werden könne. Die Angebote des Gästehauses seien gut, aber durch die Hausordnung auch eingeschränkt. Eine wetterunabhängige Alternative zum Strand wäre wünschenswert, auch um eventuelle Störungen des Umfelds zu minimieren. Die Bootsbauer schlagen vor, die alten und größtenteils unbenutzten Baracken zwischen dem neuen Parkhaus und dem Supermarkt als möglichen Treffpunkt zu nutzen.
Schließlich äußern die Bootsbauer ihre Sorge über die Zukunft der Schule für Bootsbauer/-innen. Informationen des Lehrpersonals würden darauf hindeuten, dass der Bootsbau die Trägerschaft der Handwerkskammer verlieren werde. Wenn dies der Fall sei, stellten sich Fragen nach der zukünftigen Finanzierung und der Ausrichtung des Ausbildungsgangs. Die Bootsbauer fordern Klarheit über die Zukunft der Schule für Bootsbauer/-innen und hoffen, dass die Ausbildung den Stellenwert im Handwerk besäße, den sie verdient.
Die Bootsbauer des Abschlussjahrgangs Februar 2023 betonen, dass sie durch den offenen Brief niemanden persönlich angreifen möchten. Sie würden lediglich auf Missstände aufmerksam machen wollen, die dringend geändert werden müssten, um die Qualität der Ausbildung zum/zur Bootsbauer/-in zu verbessern.
Die Verfasser des Briefes hoffen mit der Schule und den zuständigen Stellen in einen Dialog zu treten und wünschen sich eine konstruktive Zusammenarbeit zur Verbesserung der Ausbildungssituation.