Torqeedos elektrische Antriebe:

„Eine Ebene höher…“

Das Thema Elektromobilität gewinnt auch im Wassersport weiter an Bedeutung. Doch ähnlich wie in der Automobilindustrie, gibt es Unterschiede in Bezug auf die Aktzeptanz und die Durchsetzung der technologie bezogen auf die unterschiedlichen Einsatzbereiche. WasserSport sprach mit Christoph Ballin, Gründer und CEO des Marktführers für elektrische Bootsantriebe, der Firma Torqeedo aus Starnberg über den derzeitigen Stand der Dinge in den unterschiedlichen Bereichen des Wassersports.

MotorBoot Online:
Im Bereich Automotive setzen sich E-Antriebe inzwischen durch. Sehen sie eine
ähnliche Entwicklung im maritimen Bereich?

Christoph Ballin:
Wir beobachten natürlich wie sich Elektromobilität in den verschiedenen
Segmenten durchsetzt. Dabei gibt es einige Segmente, in denen es schneller geht
und andere Segmente, in denen es langsamer geht. Wenn wir uns heute angucken
wie es im Bereich der Automobilindustrie aussieht – da liegt der weltweite
Anteil von elektrischen Fahrzeugen, die verkauft werden, irgendwo zwischen ein
bis zwei Prozent. Wir sind in der Marineindustrie davon gar nicht weit weg. Wir
schätzen, dass der Anteil von elektrischen Antrieben am Bootsmarkt im Moment
bei 1,3 Prozent liegt, also durchaus in einem ähnlichen Bereich wie im
Automotive-Bereich. Und dann gibt es andere Bereiche, wo die Durchsetzungs-Geschwindigkeit
sehr viel schneller oder langsamer ist. Z.B ist es bei Bussen so, dass der
weltweite Marktanteil elektrischer Busse heute schon bei 13 Prozent ist. Dagegen
ist es im Bereich der Baumaschinen oder der Agrartechnik so, dass der Marktteil
noch nahe null Prozent ist. Das eine Thema ist die Frage: Wo stehen wir heute
in der Durchdringung? Das andere Thema ist: Wie schnell geht die Entwicklung?
Und da sehen wir gemessen an der Automobilindustrie über die letzten sechs,
sieben Jahre eine Wachstumsrate in der Größenordnung von 50 Prozent im
Durchschnitt.

MotorBoot Online:
Wie sieht der Markt für elektrische Antriebe im Moment aus und wie wird er sich
entwickeln?

Christoph Ballin:
Es ist gut sichtbar, dass Elektromobilität sich mit einer unterschiedlichen
Geschwindigkeit in den verschiedenen Segmenten durchsetzt. Wenn wir uns
einerseits angucken, dass es ein Segment für regulierte Seen gibt, auf denen
Verbrennungsmotoren schon lange verboten sind, ist es so, dass Elektromobilität
dort ein ganz alter Hut ist und schon bei quasi 100 Prozent Durchdringung
angekommen ist. Dann gibt es Segmente, wo Elektromobilität heute auch schon zum
Standard gehört. Das sind Beiboote, also insbesondere in Verdrängungsfahrt und Daysailor.
Die Segmente in denen als nächstes absehbar ist, dass Elektromobilität große
Marktanteile gewinnt, werden der Bereich Segeln sein und der kommerzielle
Bereich von Fähren und Taxis. Andere Bereiche wie Motorboote zum cruisen oder Fishing
werden noch länger und weitere Verbesserungen in der Technologie brauchen, bis
man dort attraktive Produkte für die Kunden anbieten kann

Leicht, stark und flüsterleise: Der neue Torqeedo Travel 1103C (Foto: Torqeedo)

MotorBoot Online:
Ein Vorurteil gegenüber E-Antrieben ist, das im Vergleich zu Verbrennern höhere
Gewicht aufgrund der großen Batterien. Trifft das zu?

Christoph Ballin:
Elektrische Antriebe sind für Segler in zwei Segmenten besonders attraktiv. Das
eine Segment ist das Segment Racing-Sailing. In dem ist es so: Wenn ich nicht
lange motoren muss, um zu meinem Regattakurs zu kommen, dann sind elektrische
Antriebe heute schon leichter. Wir werden das 2019 in Kooperation mit Nautor
Swan zeigen mit der ClubSwan36 zeigen, dass ein elektrisches Segelboot ungefähr
30 Prozent an Gewicht gegenüber einem Verbrennungsmotor einsparen kann. Und das
ist für das Rennsegel-Segment attraktiv. Daneben ist Elektromobilität auch für
Cruising-Segler interessant. Dort spart man typischerweise kein Gewicht, aber
was wir tun können ist, dass wir die Generator-Laufzeit insbesondere für die Hotel-Loads
an Bord nahezu abschaffen oder substanziell reduzieren können, indem wir
Energiemanagement und Vortrieb in einem System kombinieren und indem wir über Hydrogenerationen
während des Segelns die Batterien füllen. Auch über Solar – und damit über
leise, komfortable, geruchsneutrale, erneuerbare Energien die Energie zur
Verfügung zu stellen, die man für das Leben an Bord braucht, um auf den
Dieselgenerator nur in Notfällen zurückgreifen zu müssen.

Einfaches Deep Blue Antriebssystem mit Innenborder. Die Leistung und die Reichweiten konnten in den vergangenen Jahren immer mehr gesteigert werden.(Grafik: Torqeedo)

MotorBoot Online:
Wie passt Ihr neu vorgestellter 100kW-Motor in das bereits bestehende Deep
Blue-System?

Torqeedos neuer Deep Blue 100 Motor

Christoph Ballin:
In 2019 launchten wir bei Torqeedo unsere neuen 100kW Antriebe, die im Rahmen
des Deep Blue Systems zur Verfügung stehen. Das Schöne an dem Deep Blue System
ist, dass es ein voll integriertes, geschlossenes System ist, das auf
Standardkomponenten basiert, die miteinander modular und skalierbar kombiniert
werden können. Und jede Verbesserung, die wir in dieses System hineinbringen,
erhöht die Attraktivität des Gesamtsystems, weil auch die anderen Vorteile
verfügbar sind. Um ein Beispiel zu nennen: Dass Deep Blue System ist heute
schon in der Lage, das Energiemanagement zu leisten, DC-AC Conversion und DC-DC
Conversion zu integrieren, wir können Solarladungen machen, wir können
Hydrogenerationen machen und wir haben Generator-Unterstützung integriert. Mit
dem 100 kW System bringen wir diese ganzen Vorteile eine Ebene höher, und
können diese Vorteile auch für größere Boote anbieten.

(Das Gespräch führte Christian Schneider)

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