Recht & Respekt:

Flaggenführung an Bord

Ist die klassische Flaggenführung spießiger Traditionalismus oder Teil guter Seemannschaft? Einiges ist rechtlich vorgeschrieben, anderes beruht auf Respekt – auf jeden Fall ist das Thema ein Dauerbrenner, der auch Gemüter erhitzen kann. Nikolas Woeckner klärt zum Saisonstart nochmal, was Sache ist an Flaggenstock und- Mast.

Ein ist klar: Kein Boot ist je gestrandet, weil die Nationale am Abend nicht rechtzeitig eingeholt wurde und kein Boot lief je auf Grund, weil ein Skipper die Gastlandflagge im Ausland nicht setzte. Trotzdem oder gerade deswegen ist der Umgang mit Flaggen, Standern und Wimpeln immer wieder Teil von Diskussionen. Doch sogar die geltende Rechtslage schreibt vor, was in Sachen Flaggenführung unabdingbar ist und u.U. sogar strafrechtlich relevant sein kann. Die Flaggenetikette hingegen ist bei bei pragmatischer Anwendung alles andere als die Spinnerei ewig gestriger Traditionalisten.

Die Rechtslage

Den Grundrahmen stellt das Seerechtsübereinkommen von 1982 dar. Gemäß diesem internationalen Völkerrecht steht die Hohe See allen Staaten offen und garantiert unter anderem die Freiheit der Schifffahrt. Das Zeichen, das ein Schiff einem bestimmten Staat angehört, ist die Nationalflagge. Auf hoher See unterliegt das Schiff also der Jurisdiktion des sogenannten Flaggenstaates. Man könnte davon sprechen, dass das Schiff durch die Flagge eine Nationalität erhält.

Das Setzen der Bundesdienstflagge ist der Deutschen Marine und Behördenfahrzeugen wie z.B. der Küstenwache vorbehalten. Yachten dürfen dies Flagge nach dem Flaggengesetz nicht führen. Copyright (c) 2022 viper-zero/Shutterstock.
Das Setzen der Piratenflagge ist bei Kindern beliebt, wird aber gerade im Ausland oft als Respektlosigkeit angesehen und sollte unterbleiben. (Copyright (c) 2012 ChameleonsEye/Shutterstock.)

Für deutsche Schiffe ist die Nationalflagge die Bundesflagge in den Farben Schwarz-Rot-Gold, gemäß Artikel 22 des Grundgesetzes. Genauer beschrieben wird sie in der Anordnung über die deutschen Flaggen. Das deutsche Flaggenrechtsgesetz (Gesetz über das Flaggenrecht der Seeschiffe und die Flaggenführung der Binnenschiffe) geht sogar so weit, das Führen einer anderen als der Bundesflagge als Straftat zu werten und mit einer Geldstrafe von bis zu 180 Tagessätzen oder einer Freiheitsstrafe von bis zu sechs Monaten zu bestrafen.

Das Setzen der Europa-Flagge anstelle der Nationalen ist nicht erlaubt. Copyright (c) 2019 J_UK/Shutterstock.

Hierzu zählt übrigens auch das Setzen der Dienstflagge der Bundesrepublik Deutschland, also der Bundesflagge mit dem Bundesadler in der Mitte, was man gelegentlich sieht. Auch die Europa-Flagge- ob mit oder ohne eingeklinkte kleine Bundesflagge ist nicht ersatzweise erlaubt, und wenn der Schipper noch so überzeugter Europäer ist.

Das Flaggenrechtsgesetz fordert, beim Ein- und Auslaufen in einen Hafen die Bundesflagge zu zeigen. Wer dies nicht tut, handelt ordnungswidrig, was mit bis zu 5.000 Euro Geldbuße geahndet werden kann. Zusammengefasst bedeutet dies, nach geltendem deutschen Recht hat ein deutsches Boot die Bundesflagge zu führen. Nicht mehr und auch nicht weniger. Eine Gastlandflagge, Club-Stander oder gar Uhrzeiten für das Setzen und Einholen der Flaggen werden hingegen nicht erwähnt. Hier kommen wir also, mal abgesehen von Marine und Militär, bei denen Dienstvorschriften derartiges regeln, in den Bereich der Tradition und Etikette.

Respekt in Form der Gastlandflagge

In allen Ländern ist es üblich, Respekt vor der Flagge zu zeigen, in manchen mehr als in anderen. Dies gilt in besonderem Maße auch für die Gastlandflagge. Mit ihr wird signalisiert, dass das ausländische Schiff die Regeln und Gesetze des Gastlandes respektiert. Aus diesem Grund sollte die Gastlandflagge mindestens genauso gut, behandelt werden, wie die eigene Nationale.

Ort

Das Flaggenrechtsgesetz besagt, dass die Bundesflagge auf die „für Seeschiffe der betreffenden Gattung üblichen Art und Weise zu führen“ sei. Das ist für die meisten Boote und Yachten der Flaggenstock am Heck. Der Stock ist üblicherweise um etwa 40 Grad nach achtern geneigt, um auch bei Flaute die Flagge erkennen zu lassen. Der Clubstander wird historisch am höchsten Punkt an Bord, also bei Seglern im Großtopp, bei Motorbootfahrern alternativ z.B. am Lichtmast an Backbord gesetzt. Im Ausland wird die Gastlandflagge als einzige auf der Steuerbord-Seite gesetzt.

Größe und Zustand

Es gibt Richtwerte für die Größe der Flaggen, jedoch keine Vorschriften. Das Seitenverhältnis von Gastlandflagge, Nationale und Stander beträgt 3:5, das von Wimpeln 3:10. Die Größe sollte sich an der Schiffsgröße orientieren. Selbstverständlich sollten die Flaggen nicht zu klein sein, da sie sonst schlecht erkannt werden können.

Zu große Flaggen wirken hingegen schnell merkwürdig. Klassische Yachten haben oft Nationalen, die im nicht ausgewehten Zustand soeben mit der hinteren unteren Ecke die Wasseroberfläche berühren. Im Handel erhältliche Standard-Flaggengrößen sind 20-mal 30 bis hin zu 100 mal 150 Zentimetern. Auch die Größe der Gastlandflagge sollte nicht zu klein gewählt werden, da dies auch als unfreundlich gegenüber dem Gastland gewertet werden kann. Die Flaggen sollten stets im guten Zustand und nicht zerrissen oder völlig ausgeblichen sein, vorher sollten sie ersetzt werden. Dies gilt in besonderem Maß auch für die Gastlandflagge. Um Flaggen zu schonen, können sie auf See eingeholt werden. Vor dem Ein- und Auslaufen muss die Nationale jedoch zwingend gesetzt werden.

Flaggenparade

Flaggenparaden sind zu Festen und Feierlichkeiten beliebt. Hier: Beim Tourenskippertreffen des DMYV in Leer

Üblich und von der Etikette gewünscht ist die tägliche sogenannte Flaggenparade. Morgens um acht Uhr werden Nationale und Gastlandflagge gesetzt, abends um neun oder bei Sonnenuntergang werden beide Flaggen wieder eingeholt. Beim Verlassen des Bootes und voraussichtlicher Rückkehr nach Sonnenuntergang werden die Flaggen ebenfalls eingeholt. Clubstander bleiben stets gesetzt. Die oft zu beobachtende Variante, dass im Ausland nur die Nationale eingeholt und gesetzt wird, die Gastlandflagge aber gesetzt bleibt, kann zu Irritationen führen. Es gilt als despektierlich gegenüber dem Gastland und wird ggf. übelgenommen.

Flaggengruß

Bei der Begegnung mit Marineschiffen auf See ist der Flaggengruß u.U. noch üblich und angebracht. (Copyright (c) 2022 Wojciech Wrzesien/Shutterstock.)

Ein Yacht-Gebrauch, der auf dem Weg in die Vergessenheit ist, ist der Flaggengruß. Unter Sportbooten wurde er durch den heute überall üblichen Handgruß ersetzt. Lediglich Marine-Schiffe sollten, wenn überhaupt, auf diese Weise gegrüßt werden: Bei Annäherung an ein Kriegsschiff dippt das Sportboot die Nationale, lässt sie also etwa zwei Drittel herab beziehungsweise nimmt den Flaggenstock aus der Halterung und senkt ihn. Das Kriegsschiff erwidert dies daraufhin, indem es seine Nationale ebenfalls kurz dippt und direkt wieder setzt. Daraufhin setzt auch das Sportboot seine Nationale wieder.

Flaggenführung heute

Stellt sich die Frage, wie wichtig Yachtgebräuche, zu denen die Flaggenführung zählt, heutzutage noch sind. An vielen Wasserfahrschulen und Ausbildungstätten wird Derartiges nicht mehr gelehrt. Aber wäre es nicht sinnvoll, gerade Einsteigern zumindest die Grundzüge von Flaggen-Etikette beizubringen, damit diese dann selbst entscheiden können, ob sie diese umsetzen?

Foto: C: Schneider

Jeder Wassersportler hat aber seine eigenen Vorstellungen von dem, was er für sinnvoll und richtig erachtet. Mit Bräuchen wie der Flaggenparade wird niemandem geschadet; im Gegenteil, durch den Erhalt von seemännischen Traditionen wird der Zusammenhalt und die Hilfsbereitschaft unter uns Wassersportlern gefestigt. Egal welcher Kultur ein Bootsfahrer angehört, oder welche Sprache er spricht, egal ob in England, Dänemark oder der Karibik: Die universelle, nonverbale Sprache, die uns auf See verbindet, ist die Seemannschaft, zu der auch die nautische Etikette gehört.