Navigations-Elektronik – Was brauche ich an Bord?

Immer wieder präsentieren die Hersteller moderner Navigationselektronik neue Entwicklungen und Produkte. Da stellt sich für Skipper nicht selten die Frage: „Must have” oder „nice to have“?

„Must have?“

Schon die Frage in der Überschrift kann als Provokation verstanden werden, und der Traditionalist wird auf Zirkel, Kursdreieck und Papierseekarten deuten und mit einem: „Den Schnickschnack braucht man nicht!“ antworten. Einen neuen Anknüpfungspunkt für die Diskussion gibt`s spätestens dann, wenn er das Smartphone aus der Tasche holt, oder das Navi im Auto programmiert.

Keine Frage – Generationen von Binnenschippern und Seeleuten haben mit „handgemachter“ Navigation ihre Ziele erreicht. Andererseits sitzen jedes Jahr etliche Skipper trotz moderner elektronischer Navigationsgeräte an Bord eben doch mal auf „Schiet“. Das alleinige (Nicht-)Vorhandensein der Technik erlaubt also keinen Rückschluss auf den Nutzen oder gar die Notwendigkeit navigatorischer High-Tech Ausstattung an Bord.

Einfacher + sicherer
= Nice to have!

Tatsache ist aber, das wir im 21. Jahrhundert leben, die technischen Möglichkeiten ausgereift sind und fast jeder von uns ein Navigationsgerät im Auto nutzt, regelmäßig im Internet surft, oder ein Smartphone sein Eigen nennt. Warum sollen nicht auch Boote und Yachten heute so modern sein wie das eigene Haus, das eigene Auto und ebenso vernetzt sein, wie das moderne Leben selbst?

Laut einer aktuellen Umfrage des Bundesverbandes Wassersportwirtschaft (BVWW) stellt sich diese Frage Neubootkäufern und Einsteigern in den Wassersport übrigens nicht. Moderne und vernetzte Elektronik an Bord wird als Selbstverständlichkeit voraus gesetzt, bzw. aktiv nachgefragt.

Vom Kartenplotter übers Sonar bis zur Musikanlage: Auch kleinere Sportboote sind oft vielfältig ausgerüstet. (Grafik: Navico)

Eine technische Entwicklung geschieht nicht um ihrer selbst willen, sondern um das Leben bequemer, einfacher und auch sicherer zu machen. Das möglichst schnelle und genaue Ermitteln der eigenen Position und der Bedingungen um das eigene Schiff herum sind dabei in der Seefahrt von je her zentrale Themen.

Wer trotz unsichtigen Wetters oder fehlender Peilmarken in wenigen Sekunden einfach seine Position bestimmen kann, fährt sicherer. Wer über eine große Entfernung kommunizieren kann, hat im Notfall ein wertvolles Backup. Wer bei unsichtigem Wetter seine Umgebung und andere Verkehrsteilnehmer orten und einschätzen kann, hat einen deutlichen Sicherheits-Vorsprung und kann vielleicht noch seinen Zielhafen erreichen, wenn Andere schon ankern. In der Berufsschifffahrt sind das schon aufgrund der wirtschaftlichen Bedeutung keine Fragen, die diskutiert werden.

Mit der Digitalisierung wurde die Entwicklung platzsparender,
kostengünstiger  und multifunktionaler
Geräte, die eine hohe Genauigkeit und eine große Zuverlässigkeit liefern können,
möglich. Daher sind auch anspruchsvolle Geräte für den Wassersportler
erschwinglich und nutzbar. Moderne Technik erleichtert dem erfahrenen Skipper
aber auch gerade dem Neueinsteiger so im wahrsten Sinne die Orientierung.

Unterschiedliche Darstellungen, Split-Screens und Overlays erleichtern die Navigation gerade in unübersichtlichen Situationen (Foto: Garmin)

Nach- , Um- und Aufrüstung

Moderne Navigationselektronik soll Spaß machen. Spätestens
unter dem Gesichtspunkt „Spaß“ wird die Frage: „Brauche ich es?“ durch die
Frage: „Kann ich es gebrauchen?“ ersetzt. Hier entscheidet dann der Anspruch
des Einzelnen über die erweiterte Ausrüstung an Bord. Dem Petrijünger wird ein
moderner Fishfinder mit allen Raffinessen gefallen, das Partyboot wird hingegen
mit einem umfassenden Entertainment-System ausgerüstet, während der Technik-Fan
schon allein aus Interesse vielleicht ein modernes Radargerät oder eine
Wärmebildkamera installiert.

Dabei besteht z.T. ein Unterschied zwischen einer Neuausstattung und einer Nachrüstung. Werden beim Kauf eines Neubootes die gewünschten Komponenten des Systems werftseitig installiert und konfiguriert, sollte sich der Eigner im Vorwege Gedanken machen, welche Systemkomponenten für ihn wichtig sind, da eine spätere Nachrüstung zusätzliche Installationskosten verursacht. So ist z.B. die Integration der Motordaten im Multifunktionsdisplay (MFD) bei neueren Motoren i.d.R. entweder schon vorgesehen oder mit wenig Aufwand realisierbar, sodass eine über die navigatorischen Standardfunktionen des MFD hinausgehende Aufrüstung sinnvoll ist. Radargeräte, Wärmebildkameras u.a. benötigen entsprechende Geräteträger, für Musikanlagen müssen Lautsprecher installiert und Kabel verlegt werden. Die Nutzung der Sonar- und Echolotfunktionen des MFDs ist zumeist lediglich von der zusätzlichen Anschaffung und dem Einbau eines entsprechenden Gebers abhängig, sodass eine Komplettlösung hier ebenfalls sinnvoller, kostengünstiger und einfacher realisierbar ist, als die spätere Nachrüstung.

Beim sog. „Repowering“, also dem Austausch eines alten
Motors gegen einen neuen, kann es z.B. im Zuge einer allgemeinen technischen
Modernisierung  sinnvoll sein, auch das
System der Anzeigen und der Navigationselektronik an Bord gleich mit auf den
neuesten Stand zu bringen, um so von den aktuellen, technischen Möglichkeiten
zu profitieren und der Wert und den Nutzwert der Yacht zu steigern.

Seemannschaft = „Must have!“

In stark befahrenen Revieren ist eine gute Navigationsausstattung nicht nur praktisch, sondern auch ein Sicherheitsfaktor (Foto: C.Schneider)

Nicht selten wird in der Diskussion der Einsatz moderner Navigations-Technik mit dem Verlust an guter Seemannschaft gleichgesetzt. Doch das ist nicht zulässig. Blindes Vertrauen in die Technik und deren sorglose Nutzung, z.B. ohne begleitende eigene Navigation oder ein Backup wie Seekarten, ein redundantes  Zweitgerät o.ä., stellt nicht die Technik in Frage, sondern die Sorgfalt des Nutzers.

ICOM IC-M605EURO UKW-Seefunkgerät mit AIS Empfänger (Foto: ICOM)

Moderne Technik kann gute Seemannschaft nicht ersetzen, sie aber sinnvoll unterstützen. In diesem Zusammenhang stellt sich zudem die Frage: Beinhaltet die gute Seemannschaft nicht auch die Forderung, sich alle verfügbaren und sinnvollen Hilfsmittel für die Navigation im Rahmen seiner Möglichkeiten zunutze zu machen?

Fahrtgebiet, Nutzung und Ausrüstung

Eine Einteilung der
Sportboote in Nutzung und Fahrtgebiete kann eine Orientierungshilfe für die
Minimalausrüstung einer zeitgemäßen Navi-Ausstattung an Bord sein:

Daycruiser

Fahrtgebiete:
Unmittelbarer Küstenbereich / Binnenseen und Flüsse

Fahrzeit:
Tagsüber /stundenweise bis ganztägig

Wetter (Wind/
Seegang/ Sicht):
i.d.R. gute bis mäßige Bedingungen

Bootstyp: Boote
bis ca. 6 Meter Länge. RIBs, Tender, offene Sportboote, kleine Kajütboote

Das neue IC-M400BBE ist ein UKW Einbaufunkgerät eignet sich dadurch, dass die Blackbox an beliebiger Stelle auch verdeckt eingebaut werden, und über ein Verlängerungskabel mit dem Bedienteilverbunden werden kann, besonders gut für Boote mit begrenzten Platzverhältnissen am Dashboard.

Gerätetypen:

  • Empfehlung: je nach Bootsgröße und Einsatz ggf. demontierbarer GPS Empfänger mit Kartenansicht  oder Kartenplotter als Multifunktionsdisplay (MFD)
  • Nice-to-Have: Netzwerkfähiges MFD + Echolot-Geber Modul, Entertainment-Integration, Autopilot, Funkgerät
Simrad Cruise 9 (Foto: Navico)
Raymarine Element 7 Sonar GPS MFD (Foto: Raymarine)

Kleine, kompakte GPS-Empfänger mit einer Kartenansicht ermöglichen nicht nur die schnelle Positionsermittlung, sie geben auch Infos über die Bootsgeschwindigkeit und den Kurs und stellen alle Informationen der Seekarten zur Verfügung. Z.T. können auch gleich die Motordaten über ein MFD angezeigt werden. Wer zusätzlich noch in einen Echolotgeber investiert, erhält gleich noch ein Echolot hinzu, dass heute deutlich mehr anzeigt, als nur die Wassertiefe, sondern dem Angler wertvolle Infos liefert oder auch einfach nur bei der Auswahl des Ankerplatzes fürs Badevergnügen hilft. Zahlreiche MFDs sind darüber hinaus netzwerkfähig und erlauben auch die Integration von Modulen für die Unterhaltung wie das Abspielen von Musikdateien oder Radioempfang. Der Autopilot erleichtert Anglern den Fischzug z.B. beim Schlepp-Angeln. Angler haben zudem besondere Anforderungen ans Echolot. Hier gibt es in Punkto der Darstellungsmöglichkeiten vom einfachen Sonar bis zum vorausschauenden Echolot viele Möglichkeiten, zudem spezielle Geber, Schwinger und Geräte. Interessenten sollten sich im Fachhandel beraten lassen.

Garmin STRIKER Plus 5 inch (Foto: Garmin)

Binnen- und Küstenkreuzer/ Weekender

Fahrtgebiete:
küstennahe Gewässer / große Binnenseen und große Flüsse

Fahrtzeiten: Tagsüber/
Ein- bis mehrtägig

Wetter (Wind/
Seegang/ Sicht):
ggf. mäßige bis schlechte Bedingungen

Bootstyp: Kajütboote,
kleine Yachten, größere RIBs und Tender, Centerkonsolen-Boote

Gerätetypen:

  • Empfehlung:
    Kartenplotter / Echolot/ Funkgerät / Autopilot.

Speziell Sportfischer: Hochauflösendes und multifunktionales
Echolot mit der Möglichkeit eigene Karten der Reviere zu erstellen.

  • Nice to
    have:
    Netzwerkfähiger Kartenplotter, AIS-Empfänger, Entertainment
    Funktionen, ggf. Radar, ggf. duales Display
Ein doppelt ausgelegtes Display verbessert die Übersichtlichkeit (Foto: Navico)
Die Garmin App ActiveCaptain bietet eine leistungsstarke Verbindung des Mobilgerätes zum Garmin Kartenplotter, zu Karten und der Community für das vernetzte Bootserlebnis (Foto: Garmin)

Wer mit dem Boot auch mal ein langes Wochenende unterwegs ist, vielleicht auch in schlechteres Wetter kommen kann, sollte neben der navigatorischen Grundausstattung aus Kartenplotter und Echolot  auch ein UKW-Gerät an Bord haben, um im Notfall selber Hilfe anfordern zu können oder aber als Relaisstation z. B. Anderen Unterstützung bieten zu können. Ein netzwerkfähiger Kartenplotter bietet vielfältige Möglichkeiten der späteren Funktionserweiterung z.B. für, Entertainment-Funktionen, Anzeige von Motordaten u.v.m. Die Möglichkeit AIS-Signale zu empfangen, erleichtert in Gebieten mit hohem Verkehrsaufkommen die sichere Navigation. Bei der Integration mehrerer Zusatzgeräte und Daten kann ein zweites Display sinnvoll sein.

Fahrtenyachten für erweiterte Binnen- und Küstenfahrt

Fahrtgebiete:
küstennahe Gewässer und offene See/ internationale Binnenwasserstraßen

Fahrtzeiten: Überwiegend
tagsüber, vereinzelt auch Nachtfahrten / mehrere Tage bis Wochen

Wetterbedingungen (Wind, Seegang/ Sicht): ggf. schlechte/ anspruchsvolle Bedingungen

Bootstyp: Sport-
und Fahrtenyachten

Gerätetypen:

  • Empfehlung:
    Netzwerkfähiger Kartenplotter mit Integration von Wetterdaten, Echolot, AIS-Senden
    + Empfang, Autopilot, Funkgerät, Radar
  • Nice-to-have:
    duales Display, vorausschauendes Sonar, Nachtsicht/Wärmebild-Kamera, Handfunkgerät,
     Entertainment Funktionen, Manöver-+ Docking-Assistenz-Systeme,
    sog. „augmented Reality“ Funktionen

Je länger die Törns werden, desto wichtiger ist eine gute Beurteilung
der navigatorischen Gesamtsituation in Bezug auf Wetter und Revier, zumal auch
unbekannte Reviere z.T. mit hohem Verkehrsaufkommen befahren werden. Hier sind
neben der navigatorischen Grundausstattung auch Radar und AIS wichtige
Hilfsmittel zur vorausschauenden Beurteilung komplexer Verkehrssituationen.

Hilfreich und übersichtlich: Tidenkurven-Anzeige mit Sonnenauf- und Untergang auf einem Simrad Plotter

Mit der Vielzahl der möglichen Informationen steigt aber auch der
Anspruch an die Übersichtlichkeit der Darstellung. Displays ab 12 Zoll
Bildschirmdiagonale oder größer bzw. duale Ausführungen sind je nach Bootsgröße
sinnvoll. Nachtsichtkameras und vorausschauende Sonargeräte erweitern im
wahrsten Sinne das Blickfeld des Skippers. Neueste Entwicklungen setzen auch
auf die sog. „augumented Reality“ – die virtuelle, optische Anzeige
gespeicherter oder erfasster aber u.U. (noch) nicht sichtbarer Ziele wie z.B.
AIS-Signale, Wegepunkte, Tonnen in ein Kamerabild auf dem MFD.

Docking-Assistenz-Systeme wie z.B. Fernbedienungen o.a. gehören zwar
nicht unbedingt zur Navigationselektronik, sind aber nicht selten mit ihr
vernetzt und erleichtern das Manövrieren und Anlegen der Yacht mit kleinen
Crews.

Das Garmin GMR Fantom Solid-State-Radom Radargerät mit MotionScope-Technologie zeigt bewegte Ziele, die sich aufeinander zu oder voneinander weg bewegen in verschiedenen Farben an, um so Kollisionen zu vermeiden. (Foto: Garmin)

Fahrtenyachten für
große Fahrt

Fahrtgebiete:
Hochsee und internationale Schifffahrtswege Binnen und See

Fahrzeiten: Tag
und Nacht / Mehrere Tage bis Wochen bzw. Monate

Wetter (Wind/
Seegang/ Sicht):
u.U. sehr schlechte/ sehr anspruchsvolle Bedingungen

Bootstyp: große
Sport- und Fahrtenyachten

Gerätetypen:

Mit dem neuen Simrad HALO24 Radar werden die Vorteilen modernster Technologie, einem neuen Profil und einem leichteren Design kombiniert. (Foto:Navico)
  • Empfehlungen:
    Netzwerkfähiger Kartenplotter mit dualem Display, Integration von Wetterdaten, Echolot,
    AIS-Senden+ Empfang , Autopilot, Radar, stationäres + Hand-Funkgerät, EPIRB Not-Signalsender
    und/oder Geräte für die Kommunikation via Iridium Satellitennetzwerk. Ggf. Tochtergeräte/Displays
    auf zweitem Fahrstand und/oder an anderen Stellen der Yacht (Mastercabin o.ä.),
    ggf. doppelte, redundante Auslegung der wichtigsten Nav-Funktionen (z.B.
    Plotter, Echolot, AIS-Empfang)
  • Nice to
    have:
    Vorausschauendes Echolot, Nachtsicht/Wärmebild-Kamera, Entertainment
    Funktionen, Docking-Assistenz-Systeme, Tripple-Display, sog. „augmented Reality“-Funktionen
Die Neuheit Garmin inReach Mini Marine Bundle in der Reihe von Satellitenkommunikationsgeräten mit Zwei-Wege-Messaging, Basis-Navigation und einer 24/7-SOS-Funktion verbindet sich über das globale Iridium®-Netzwerk1. (Foto: Garmin)

Wer auf der hohen See unterwegs ist und/oder die großen internationalen Binnenwasserstraßen befährt und Nachfahrten nicht scheut, für den ist die gesamte Bandbreite der technischen Navigation keine Spielerei, sondern hat einen reellen, praktischen Wert, dessen Nutzen schon bald zur Bordroutine gehört. Eine umfassende und hochwertige Navigationsausstattung ist zeitgemäß, macht nur einen Bruchteil der Gesamtinvestition der Yacht aus, und gehört auf den meisten neueren, mittelgroßen bis großen Yachten daher zum Standard. Eine doppelte, redundante Auslegung der wichtigsten Navigationsfunktionen erhöht die Sicherheit und die Unabhängigkeit auf Langfahrt.