Volvo Penta und Beneteau präsentieren neues Hybridsystem als voll integrierten Schiffsantrieb
Sieht so die Zukunft der Bootsantriebe für Boote und Yachten aus, die aufgrund iherem Einsatzgebiet Offshore oder auf großen Flüssen mit Strömung nicht alleine auf den E-Antrieb setzen können? Hybridantriebe für Boote und Yachten als solches sind ja nicht neu, doch mit Volvo Penta hat ein großer Hersteller ein komplettes, ins Gesamtportfolio integrierte System entwickelt, das in der Verkettung von Herstellung, Service, Wartung und Ersatzteilversorgung als System aus einer Hand, sozusagen „out-of-the-box“ an den Markt gebracht werden soll, und damit den Zugang und den Service für Hersteller und Endkunden für ein derartiges System weltweit erleichtern wird.
Das erste Konzeptboot und der Prototyp auf Basis einer Jeanneau NC 37 wurde gemeinsam von Volvo Penta und der Groupe Beneteau als global Player im Bereich des Freizeitbootsektors, entwickelt. Es integriert das Hybrid-Elektro-System von Volvo Penta in ein Yachtdesign, das Nachhaltigkeit, intuitive Bedienung und nahezu geräuschloses Fahren garantieren soll und so neue Möglichkeiten der Nutzung, neue Bootserlebnisse und einen umweltfreundlicheren Betrieb einer Freizeit-Motoryacht ermöglichen soll.

Das alles, ohne Einschränkungen in Bezug auf die Reichweite, die Fahrperformance oder die Nutzung im Offshore Bereich oder auf strömungsreichen Binnengewässern hinnehmen zu müssen. Das exklusive Testevent diente dem Hersteller auch dazu, Feedbacks, Anregungen, Kritik und Einschätzungen zum neuen Hybridsystem von Fachleuten und Endkunden zu bekommen. Nach dem Test der Systeme zum Ende der Veranstaltung stand daher eine intensive Befragung durch das Volvo Penta Entwicklungsteam auf dem straff organisierten Terminplan der Teilnehmer.
Da sich das System derzeit in der Endphase der technischen Entwicklung befindet, ist ein genauer Termin zur Markteinführung derzeit noch nicht bekannt. Lt. Aussagen des Herstellers ist hier ein bisher nur grob definierter Zeitraum zwischen 2025 und 2030 angepeilt. Beneteau berücksichtig die konstruktiven Anforderungen des neuen Antriebskonzeptes aber bereits bei der Entwicklung neuer Modelle.
Das System
Erfolgreich erprobt und eingesetzt wurde das Hybrid-System bereits über eine Saison und ca. 800 Betriebsstunden im Jahr 2022 in der Praxis an Bord eines kommerziell betriebenen Bootes für Touristen- und Forschungsexkursionen auf der Nordmeerinsel Spitzbergen in ökologisch sensiblen Bereichen.

Das Schiff Kvitbjørn (übersetzt: Eisbär), das erstmals im November 2021 angekündigt wurde, wird von einer kompletten Volvo Penta Twin D4-320 DPI Aquamatic Hybrid-Elektrolösung angetrieben. Sie ist das Ergebnis der Zusammenarbeit der Partner Volvo Penta, Marell Boats und Hurtigruten Svalbard, die dieses dreijährige Pilotprojekt ins Leben gerufen haben, um neue Elektromobilitäts-Technologie in einer der extremsten maritimen Umgebungen der Welt zu testen.
Geplant ist derzeit, dass das System in der Kombination mit den Volvo Penta Dieselmotoren der D4 und der D6-Baureihe sowie mit den DPI-Aquamatic Heckantrieben sowie IPS-Antrieben angeboten wird.


Das Parallel-Hybridkonzept zeichnet sich lt. Hersteller durch ein hochmodernes, vollständig integriertes System aus. Dazu gehören u.a. das Joystick Assisted Docking-System von Volvo Penta und das dynamische Positionierungssystem DPS auch im Elektromodus, das es ermöglicht, die Yacht punktgenau auf einer bestimmten Position und Kurs zu halten. Im Fahrbetrieb arbeiten die Elektro- und Verbrennungsmotoren einzeln oder zusammen. Das Kontrollsystem von Volvo Penta soll ein nahtloses Erlebnis und eine perfekte Integration zwischen den Antriebsarten garantieren.
Der Plug-in-Parallelhybrid der Testyacht mit zwei Volvo Penta D4-320-Motoren und zwei 60-kW-Elektromotoren bietet drei Fahrmodi: Elektro, Hybrid und Power. Die neu entwickelte Mensch-Maschine-Schnittstelle (HMI) ermöglicht es dem Skipper, nahtlos zwischen den Fahrmodi zu wechseln. Der Antrieb erfolgt über zwei der bewährten DPI Aquamatic Sterndrive-Einheiten von Volvo Penta.
Die Batteriebank an Bord umfasst acht Module mit einer Kapazität von 67 kWh. Das Aufladen der Batterien kann mit Landstrom erfolgen, ode die Batterien können über das Antriebssystem geladen werden. Dabei werden die E-Motoren quasi umgekehrt als Generatoren genutzt, die über die Diesel angetrieben werden. Sie können bis zu 20 kW Ladung liefern, während das Schiff in Fahrt ist, oder bei ausgekuppelten Maschinen mit einer dann auf 1500 U/min begrenzten Maximaldrehzahl bis zu 60 kW, z.B. wenn das Schiff vor Anker liegt. Das Zuschalten der Ladefunktion erfolgt manuell.

Die Batteriebank bietet so die Möglichkeit, netzunabhängig an Bord zu leben. Johann Inden, Präsident des Marinebereiches von Volvo Penta betont, dass die verwendeten Batterien höchsten Industriestandards entsprechen und bei Markt-Einführung des Systems auch über maritime Klassifikationsgesellschaften zertifiziert werden sollen. In Punkto Technik und Betriebssicherheit greift Volvo Penta hier auf die umfangreichen Erfahrungen aus dem Bereich der Busse und Trucks der Volvo Group zurück und adaptiert entsprechende Technologien für marine Anwendungen.
Vorteile
Im rein elektrischen Betrieb ist leises und umweltgerechtes Fahren möglich, wodurch z.B. auch geschützte Gebiete befahren werden können. Es ist absehbar, dass in naher Zukunft europa- und weltweit mehr Gebiete ausgewiesen werden, in denen derartige Nutzungsbeschränkungen gelten.
Nicht nur, dass die Möglichkeit besteht, Teilstrecken der Reise entspannt und nahezu lautlos und zudem sehr kostengünstig zurückzulegen, auch im Manövrierbetrieb beim Ein- und Auslaufen in Marinas und Häfen kann vollelektrisch gefahren werden, was die Schadstoff- und Lärmemissionen in den Häfen mindert und Störungen anderer Wassersportler vermeidet. Die zusätzliche Installation eines Generators wird überflüssig, das Aufladen übernehmen bei Bedarf die Hauptmaschine und die E-Antriebe. Einschränkungen bei Reichweite, Fahrperformance oder Nutzungsmöglichkeiten müssen nicht in Kauf genommen werden, denn die Hauptmaschine ist ein Dieselmotor. Wird dann noch ein Kraftstoff, wie z.B. HVO-Diesel getankt, gelingt der Gesamt-Betrieb der Yacht sogar nahezu klimaneutral.
Die E-Motoren können die Diesel in der Beschleunigungsphase mit einem zusätzlichen Boost unterstützen und erhöhen die Fahrperformance.

Insgesamt muss jedoch mit einem Mehrgewicht von ca. 900 kg an Bord gegenüber einer traditionellen Konfiguration gerechnet werden. Allein das Gesamtgewicht des Batteriesatzes beträgt hier 600 kg. Andererseits kann aber die Installation eines Generators entfallen, was – abhängig von der Größe der Anlage – wieder ca. 300 kg an Gewicht spart, so der Hersteller. Zudem schlägt natürlich ein – noch nicht definierter – Mehrpreis zu Buche, dem allerdings auch ein höherer Mehrwert in Punkto Nutzungsmöglichkeiten und Komfort an Bord entgegensteht.
Erik Stromberg, Vice President of Power and Motor Yacht Products der Groupe Beneteau, ist daher sicher, dass das derzeitige stark steigende Interesse an alternativen Antriebskonzepten weiter zunehmen wird, und dass das derartige Yachtkonzepte langfristig entscheidende Marktanteile erreichen können. “Wir können auf eine langjährige Zusammenarbeit mit Volvo Penta zurückblicken. Diese Partnerschaft geht über die reine Technologie hinaus, es ist ein gemeinsames Bestreben, neue Herausforderungen anzunehmen und das Kundenerlebnis zu revolutionieren”, so Stromberg.

“Bei Volvo Penta sind wir unermüdlich bestrebt, die Hemmschwelle an Bord eines Bootes zu gehen, zu senken und so das Erlebnis auf See zu bereichern”, sagt Johan Inden. “Wir haben uns schon früh entschieden, mit unserem langjährigen Partner Groupe Beneteau zusammenzuarbeiten, um das Thema Hybrid-Elektroantrieb zu erforschen. Dies ist ein gemeinsamer Weg, der es uns ermöglicht, ihr umfangreiches Kunden- und Händlernetz zu nutzen, bevor wir den Designprozess für diese konzeptionelle Technologie abschließen. Wir freuen uns darauf, gemeinsam zu lernen und unsere zukünftige Entwicklung des Bootserlebnisses zu beeinflussen”.


Einen ausführlichen Fahrtest des Prototyps der Jeanneau NC37 mit dem neuen Volvo Penta Hybridantrieb lesen Sie in der kommenden Ausgabe 07 des MotorBoot-Magazins, Als gedrucktes Heft im Abo oder im Rahmen der Mitgliedschaft in der Sportbootvereinigung im DMYV (SBV), digital gleich hier im Shop oder mobil in der MotorBoot-Magazin App im Google Play Store und im Apple -Store.
Technische Daten
Schiff: Jeanneau NC37
L.ü.a: 11,9 Meter m
Rumpflänge: 9,86 m
Breite: 3,59 m
Verdrängung leer: 6832 kg (Serie)
Tiefgang: 1,07 m
Brennstofftank: 650 L
Wasser: 200 +100 L
Motorisierung: 2x Volvo Penta D4-320 à 235 kW (320 PS) + 2 x E-Motor à 60 kW
Antrieb: 2x Volvo Penta DPI Aquamatic
Batterien: 8 Module mit insges. 67 kW/h
Vmax Diesel: 35 kn
Vmax E-Mot.: 10 kn
Reichweite E-Mot.: 15 sm bei 5 kn