125 Jahre Nord-Ostsee-Kanal
Phänomen Nord-Ostsee-Kanal: Mit jährlich mehr als 30.000 Seeschiffen ist er eine der meistbefahrenen, künstlichen Wasserstraßen der Welt. Auf einer Länge von 99 Kilometern und einer Breite von 67 Metern durchquert der NO-Kanal (früher: Kaiser-Wilhelm-Kanal, international: Kiel Canal) Schleswig-Holstein zwischen Brunsbüttel (Nordsee) und Kiel-Holtenau (Ostsee).

Seeschiffe sparen ca. 250 Seemeilen Fahrtstrecke und somit reichlich Treibstoff und Zeit, da sie weder den Skagerrak noch Kattegat durchfahren müssen. Wirtschaftlich kommt dies einer durchschnittlichen Ersparnis von derzeit ca. 70.000 Euro pro Schiff gleich.

Aufgrund der beiden Schleusen an den Enden des Kanals zählt der Nord-Ostsee-Kanal zu den spiegelgleichen Seekanälen – die Gezeiten der Nordsee oder etwa ein Windstau in der Kieler Förde haben dank der Schleusentore und -kammern keinen Einfluss mehr auf den Wasserstand des Kanals.
9.000 Arbeiter kommen – und viele bleiben!
Man ahnt es schon: Ein derart monumentales Bauwerk muss eine epische Entstehungsgeschichte haben. In nur acht Jahren Bauzeit entstand ein Jahrhundertbauwerk, das bis heute tagtäglich beeindruckt. Schon damals verglich man die Anstrengungen für den Bau des Kanals mit dem der Pyramiden in Ägypten. Mehr als 9.000 Arbeiter wurden benötigt, viele kamen aus Polen, Russland, der Schweiz und Italien. Aufgrund ihrer Erfahrungen mit ähnlichen Großbaustellen wie etwa dem Gottharttunnel waren die Italiener vor allem als Sprengmeister begehrt.

Knapp hundert Kilometer künstliche Wasserstraße! Was musste da nicht alles bewegt werden! Was im doppelten Wortsinne zu verstehen ist: Ein Großteil der Erdarbeiten fand im trockenen Erdreich statt, das von Seen und Mooren unterbrochen wurde. Findlinge mussten ausgegraben, Sand und Lehm mangels Felsgestein stabilisiert werden, für Begradigungen wird Land abgetragen, alte Parklandschaften werden durchschnitten; Dörfer, Straßen und Eisenbahnlinien wurden von einem Tag auf den anderen getrennt. Wasserspiegel gesenkt, an anderen Stellen angehoben.

Kann richtig schön sein auf dem ehemaligen Kaiser-Wilhelm-Kanal © ndr
Wo das Wasser nicht ablaufen konnte, wurde eben gepumpt. Millionen Kubikmeter Sand waren nötig, um schlickigen Erdboden trocken zu legen. 800 Millionen Pflaster- und Mauersteine festig(t)en die Ufer.
Emotionale Reise
Hoch- und Drehbrücken so wie Dutzende Fähranlegestellen sollten das „geteilte Land“ wieder vereinen. Was auch größtenteils gelang: Obwohl das gewaltige Bauwerk buchstäblich eine ganze Region durchschnitt, wurde der Kanal relativ schnell von der Bevölkerung akzeptiert. Er trennte und verband das Land gleichermaßen, war identitätsstiftend und prägte nicht zuletzt das ethische Bild der Region. Denn viele Tausend Arbeiter, die aus dem Ausland gleich mit ihren Familien nach Schleswig-Holstein zum Kanalbau kamen, blieben mit Kind und Kegel in der Nähe der Wasserstraße. Und fanden am Kanal über Generationen hinweg Arbeit und eine neue Heimat.

NDR-Doku über die Entstehung des Kanals
Der NDR widmete bereits einige Dokumentationen dem 125-jährigen Bestehen des Monumentalbauwerks Nord-Ostsee-Kanal. Mit dem Doku-Drama „verbindet die Meere, teilt das Land“ erzählt der Norddeutsche TV-Sender zum 125 jährigen Jubiläum die bisher unbekannte Geschichte von der Entstehung des Kanals. Die eineinhalb Stunden lange, hervorragend aufbereitete Dokumentation verspricht eine „emotionale Reise durch eine spannende, historische Episode Norddeutschlands“.
Wer den Sendetermin nicht wahrnehmen kann, findet die NDR Dokumentation in der ARD-Mediathek unter folgendem Link: https://www.ardmediathek.de/ard/video/unsere-geschichte/125-jahre-nord-ostsee-kanal/ndr-fernsehen/Y3JpZDovL25kci5kZS9iY2MyYmI5MS1kMjBjLTQ0ZDMtYjA2Yi1lYmJhOGFmNjNlYzg
Das Video ist dort bis zum 11. September 2020 abrufbar.
Mehr als sehenswert für alle, die den Kanal bereits befahren haben oder vielleicht von einem Törn auf eigenem Kiel durch den Kanal träumen.

Alles für die Marine
Doch dabei sollte man aber eines nicht vergessen: Der heutige Sinn und Zweck des Kanals – Wirtschaftlichkeit in der Berufsschifffahrt – war keineswegs der Grund für den Bau der künstlichen Wasserstraße. Vielmehr waren es militärische Strategien, die Bismarck einst dazu veranlassten, dem lange zögernden Kaiser Wilhelm das „Okay“ für den Kanal abzuringen: Die deutsche Marine-Flotte sollte problemlos von der Ostsee-in die Nordsee gelangen, ohne dabei „unter den Kanonen der Dänen hindurch fahren zu müssen“.