Kleben und kleben lassen
Die Europäische Norm EN 923 definiert einen Klebstoff als einen »nichtmetallischen Stoff, der Werkstoffe durch Oberflächenhaftung (Adhäsion) so verbinden kann, dass die Verbindung eine ausreichende innere Festigkeit (Kohäsion) besitzt«. Klingt eigentlich ganz leicht. Schwer ist es dagegen, angesichts des Angebots an Klebstoffen in den Fachgeschäften und im Internet den Überblick zu behalten und das richtige Produkt für den jeweiligen Zweck zu finden.
Die Welt der Klebstoffe kann je nach Perspektive nach verschiedensten Kriterien geordnet werden, zum Beispiel nach der chemischen Basis der Klebstoffe oder nach ihrem Verfestigungs-Mechanismus. In der Praxis an Bord spielen allerdings ganz andere Fragen eine vorrangige Rolle: Welche Stoffe sollen miteinander verklebt werden? Was für eine Art von Verbindung soll erzielt werden? Und wie langlebig soll diese Verbindung sein?
Je nach dem, wie die Antworten auf diese Fragen ausfallen,
ergeben sich dann ein oder mehrere mögliche Klebesysteme für den jeweiligen
Zweck. Ein entscheidender Faktor bei der Auswahl des richtigen Klebstoffs ist
die Frage nach der nötigen Bruchdehnung. Vereinfacht gesagt, bezeichnet die
Bruchdehnung die Fähigkeit eines Stoffes, sich zu verformen, ohne zerstört zu
werden. Die Bruchdehnung wird üblicherweise in Prozent angegeben. Dieser Wert
kann jedoch irreführend sein.

Wie oft wird beispielsweise eine Naht in einem Stabdeck
wirklich auf das Doppelte oder Dreifache ihrer Breite gedehnt? Interessanter
als die Frage nach maximalen Spitzenwerten ist die Frage, wie der Klebstoff das
permanente Arbeiten der Werkstoffe verträgt. Werden Werkstoffen mit stark
unterschiedlicher Wärmeausdehnung verbunden, muss der Klebstoff entsprechend
dauerhaft verformbar sein. Bei Werkstoffen gleicher Wärmeausdehnung kann der
Klebstoff dagegen starr sein.
Für das Lamellieren von Holz beispielsweise kann ein
Epoxidharzkleber zum Einsatz kommen. Für das Verkleben einer stark arbeitenden
Scheibe auf einem Aufbau hingegen ist etwa ein PU-Kleber die bessere Wahl. Dabei
ist darauf zu achten, dass ein dauerelastischer Kleber diese Eigenschaft nur
ausspielen kann, wenn die Klebefuge dick genug ist. Wenn die Bauteile derart
aneinandergepresst werden, dass jeglicher Klebstoff vor dem Härten
herausquillt, kann von Elastizität keine Rede mehr sein.
Auch beim Verkleben gilt: Die optimale Vorbereitung des
Untergrundes und die Umgebungsbedingungen sind entscheidend für das
Endergebnis. So härten z.B. Epoxid-Kleber erst ab einer bestimmten Temperatur
richtig aus. Auch Schmutz, Staub oder Feuchtigkeit können eine gute Anhaftung
des Klebers am Werkstoff verhindern.
Ganz grundsätzlich wird eine Klebeverbindung wesentlich von
drei Faktoren beeinflusst: Der Festigkeit des Klebers selbst, der Größe der
Klebefläche und der Beschaffenheit der Oberfläche. Gerade den letzten beiden
Faktoren wird oft zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Dabei mag es eine Rolle
spielen, dass viele Produkte auf dem Markt sind, für die damit geworben wird,
dass sie ohne Primer oder auf nassem Untergrund haften.


…und die Klebefuge darf nicht zu dünn sein, um die nötige Elastizität zu gewährleisten.
Zwar sind diese Aussagen für sich genommen richtig, aber sie bedeuten nicht, dass die Frage der Oberflächen bzw. Klebeflächen für moderne Klebstoffe keine Rolle mehr spielen. Das Gegenteil ist der Fall. Für eine ganze Reihe von Klebern, Dichtstoffen und Materialien sind nach wie vor Primer von entscheidender Bedeutung für die Adhäsion. Für die Frage der Klebefläche gilt generell: Je größer, desto besser. Die physikalische Spannung bemisst sich nach der Formel Kraft pro Fläche.
Praxistipp Oberfläche
Für eine optimale
Klebeverbindung, die der Festigkeit des Klebstoffes tatsächlich entspricht, ist
eine absolut saubere Oberfläche notwendig. Diese ist am besten mit der
Zwei-Lappen-Methode zu erzielen. Dabei verwendet man einen Lappen mit einem
entsprechenden Lösemittel (zum Beispiel Entfetter) und einen trockenen Lappen.
Mit dem feuchten Lappen wird der Schmutz angelöst, mit dem trockenen Lappen
entfernt. Ansonsten würde man den gelösten Schmutz nur auf der Oberfläche
verteilen.

Arbeitssicherheit
Viele moderne Klebstoffe kommen
ohne Lösemittel aus, so dass die Geruchsbelastung zunächst gering scheint.
Dennoch sind die Vorgaben hinsichtlich der Arbeitssicherheit unbedingt
einzuhalten. Viele Bestandteile können stark reizend sein oder Allergien
auslösen, das gilt insbesondere für Epoxidharze. In jedem Fall gehören
Handschuhe aus Latex oder Nitril und eine Schutzbrille zur persönlichen
Schutzausrüstung. Beim Schleifen gehört eine Staubmaske dazu, besser eine
Atemschutzmaske mit Staubfilter.
Verschiedene Systeme für spezielle Anwendungen
Weißleim
Weißleim oder Polyvinylacetatleim ist ein einkomponentiger Holzleim. Er ist auch in wasserfesten Varianten erhältlich. Das bedeutet aber nur, dass er nach DIN EN 204 D 3 für Feuchträume im Innenbereich eingesetzt werden kann. Weißleim ist kein Strukturkleber und eignet sich nicht für Holzarbeiten im Außenbereich. Er eignet sich zum Beispiel für Umleimer an Tischkanten. Ein Vorteil ist, dass er klar aushärtet, also auch bei hellen Hölzern kaum sichtbar ist, und dass Reste mit Wasser abgewischt werden können. Außerdem ist er wenig gesundheitsschädlich. Als Lösemittel dient Wasser, er verliert also beim Härten Masse, die Bauteile brauchen Anpressdruck. Produktbeispiel: Ponal, Soudal Pro
Epoxidharzkleber
Die zweikomponentigen Epoxidharze können nicht nur als Laminierharze, sondern mit den entsprechenden Füllstoffen auch als Strukturkleber eingesetzt werden. Epoxy kann Spalten und Risse hochfest, wasserfest und tragend überbrücken. Hohlkehlen aus Epoxy können Holzteile, aber auch Laminate ähnlich miteinander verbinden wie Schweißnähte Metallplatten. Es schrumpft so gut wie nicht, aber Anpressdruck ist trotzdem ratsam, um Luftblasen auszuschließen. Zu den Nachteilen gehört, dass Epoxy auf feuchtem Untergrund nicht gut hält und nicht UV-stabil ist. Es gibt allerdings Zusatzstoffe und Beschichtungen, die vor UV schützen. Die Bruchdehnung ist eher gering. Epoxidharz ist außerdem allergen und in mancher Hinsicht gesundheitsgefährdend. Epoxy gibt es klassisch als Harz und Härter, die mit Füllstoffen versehen werden und als vorformulierte Klebesysteme. Beispielsweise gibt es vorformulierte Systeme für ölige Hölzer wie Teak. Produktbeispiele: West System 105, SP 106 (Harz/Härter) Spabond, Pro-Set (vorformuliert)
MMA-Kleber
Klebstoffe auf der Basis von Methylmetacrylat (MMA) sind hochfeste zweikomponentige Klebstoffe. Die Bruchdehnung liegt im Allgemeinen noch höher als bei Epoxy. MMA-Kleber sind in verschiedenen Formen erhältlich. Entweder werden die zwei Komponenten vor dem Auftragen gemischt oder die eine Komponente – der Aktivator – wird vor der anderen aufgetragen. MMA-Kleber brauchen keine spezielle Grundierung, haben gute Fülleigenschaften und erreichen – anders als Epoxidharzkleber – sehr schnell bis zu 85 Prozent ihrer Endfestigkeit. Darum kommen sie zunehmend in der Serienproduktion zum Einsatz – Werften kleben damit Kiele und Decks. Zu den Nachteilen gehört, dass MMA-Kleber nicht auf porösen Oberflächen wie zum Beispiel Holz funktionieren. Zudem stellen sie die derzeit teuerste Art zu kleben dar. Produktbeispiele: Crestabond M, Rotabond, Rapid Bond
SMP-Kleber
Andere feste, aber dauerelastische Verklebungen lassen sich mit Klebstoffen auf Basis silanmodifizierter Polymere (SMP) herstellen. Die Bruchdehnung von SMP-Klebern liegt zwischen der von MMA-Klebern und der von PU-Klebern. SMP-Kleber erfordern oft keinen gesonderten Primer. Der Primer ist in diesem Fällen im Klebstoff enthalten. SMP-Kleber haften relativ gut auf feuchtem Untergrund. Außerdem sind SMP-Klebstoffe UV-stabil. Es gibt Varianten mit einer und mit zwei Komponenten. Die 1K-SMP-Kleber brauchen Luftfeuchtigkeit zum Aushärten, das ist bei der Wahl des Klebstoffes zu berücksichtigen. Viele Werften greifen beim Verkleben und beim Verfugen von Teakdecks auf SMP-Kleber zurück. Produktbeispiele: Rotabond 2000, Bostik MSR, Yachticon MS Polymer, Pantera
PU-Klebstoff
Polyurethankleber weisen im Vergleich die höchste Bruchdehnung auf. Polyurethan ist auch die Basis fester dauerelastischer Dichtstoffe. Diese Dichtstoffe müssen mit verschiedenen Werkstoffen genauso zurechtkommen wie mit der ölhaltigen Oberfläche von Teakholz. Je nach Untergrund müssen Primer eingesetzt werden, um eine Verbindung zu erzielen. PU-Kleber schäumen auf, sie können also füllen. Da sich im Querschnitt dadurch die Klebefläche verringert, können sie aber nicht tragen wie Epoxidharz. In vielen Fällen ist PU-Kleber völlig ausreichend, zum Beispiel wenn es um die Montage von Beschlägen geht. Da die PU-Kleber aufschäumen, können sie Bauteile auseinander drücken, sie müssen etwa durch Schrauben in Position gehalten werden. Produktbeispiel: Sikaflex