Targa 27.2

Targa-Werftchef Johan Carpelan legte, unterstützt von seiner Frau Britt-Marie, 1976 den Grundstein zu einem Unternehmen, welches sich heute, nach rund 44 Jahren, höchster Reputation erfreut. Und das nicht nur in einschlägigen Kreisen des motorisierten Wassersportes bekannt, auch bei Profis wie Polizei und Rettungsdiensten, haben diese Schiffe einen dicken Stein im Brett. Topseller der Werft bereits in frühen Jahren, unser Testproband „Targa 27.2“, präsentiert sich heute brandaktueller denn je, aufgelegt bereits in dritter Generation.

Dritte Generation einer Legende

Eigner einer Targa zu sein, ist nicht unbedingt jedermanns Sache. Boatpeople mit überzeugter Affinität zu einem Produkt dieser westfinnischen Werft, sind in der Regel Menschen, deren Ansinnen sich kaum um das Zurschaustellen finanzieller Potenz dreht. Ihre Wertschätzung gilt vorzugsweise dem Objekt, der Sicherheit auf See, höchst- möglicher Fertigungsqualität, praxisorientiertem Handling, seemannschaftlichem Verständnis schlecht hin.

Die ersten „27er-Modelle“ gingen im Jahr 1991 an den Start. Davon wurden rund 200 Exponate auf Kiel gelegt. Rückblickend noch erfolg- reicher behauptete sich die zweite Generation, der „Typ 27.1“. Stolze 400 Einheiten durchpflügen davon bislang international die Gewässer unseres Planeten. Ein Grund mehr, dass sich die Werft im Jahr 2018 dazu inspirieren ließ, diese Erfolgsgeschichte auf ihre Weise mit dem Modell „Targa 27.2“ fortzuschreiben.

Design, Konzept, Verarbeitung

Wer aber glaubt, dass sich Johan Carpelan bei der Neuauflage lediglich mit ein paar kosmetischen Faceliftings zufrieden gegeben hätte, der irrt gewaltig. Zwar könnte bei oberflächlicher Betrachtung vordergründig der Eindruck entstehen, dass sich zwischen der „Targa 27.1“ und „Targa 27.2“ kaum We- sentliches verändert hat, doch bei genauerem Hinsehen wird schnell klar, dass wir es hier mit einem völlig neuen Boot zu tun haben.

Das beginnt bereits mit den generellen Abmessungen. Die „Neue“ ist länger, wenn auch nur marginal um rund 30 Zentimeter. Dadurch konnte jedoch der Bug steiler konzipiert werden, was wiederum dem Innenraum zugute kommt. Auch die B reite des Schiffes hat sich um sechs Zentimeter vergrößert und im gleichen Aufwasch wurde die Kombination des Aufbaues – Salon und Ruderhaus – um 20 cm länger und zwölf Zentimeter breiter. Mit bloßem Auge nur schwer nachvollziehbar.

Wie dem auch sei, es erforderte eine völlige Überarbeitung des Schiffes, neue Rumpfformen und Schablonen für den Innenausbau. Alles in allem eine mutige und arbeitsintensive Entscheidung, die – wie bereits sich andeutende Verkaufszahlen mittlerweile dokumentieren – positive Früchte trägt. Dabei wurde peinlich genau darauf geachtet, das erfolgs- versprechende Grundkonzept des Schiffes, den ausgeprägten Offshore-Charakter und das Pilothouse-Styling unverändert beizubehalten. Daher nach wie vor gut begehbare, seitliche Rundum-Gangbords, platzsparende, praxisorientierte, seitliche Schiebetüren und eine kompakte Flybridge.

Soll auf einem 27er-Rumpf all das untergebracht werden, was auch die „Großen“ bieten, dann muss der Designer schon etwas tiefer in seiner Ideenkiste buddeln. Logisch auch, dass dies zur Folge hat, realisierbare Dimensionen zu kreieren, die in ein machbares Verhältnis gerückt werden. Allein dafür gilt es höchste Anerkennung zu zollen, denn es wurde alles umgesetzt, was man an Bord eines Langzeit-Törners erwartet.

Zwei relativ steile Stufen führen im Vorschiff zwischen Pantry und Steuerstand hinunter in den pflegeleichten Sanitärbereich mit Seewasser-Pump-WC (elektrisch Option), Dusche und Waschbecken, verschließbar durch eine zweiflügelige Tür und darüber liegendem Klappschapp mit Innenleben. Kein opulentes Wellness-Areal, jedoch alles vorhanden um der persönlichen Hygiene gerecht zu werden. Unter einer Abdeckung an Bb. die kleine Pantry mit doppeltem Gasbrenner und VA-Spüle.
Steuerbords der unverwechselbar targatypische Steuerstand mit Vertikal-Kippfunktion, übersichtlich bestückt in ergonomischer Manier mit jeder Menge Kippschalter zur Aktivierung der diversen Bordfunktionen, Einhebelschaltung, Trimmklappen und separatem Raymarine-Aufbau-Flatscreen. Selbstredend die Installation eines Bugstrahlruders, darüber hinaus zusätzliche Kontrollanzeigen und Armaturen im Deckenbereich, samt Funkgerät, manuellem Handsuch- scheinwerfer und Dachluke. Horizontal zu verschieben, der zwar aufwändig gepolsterte, bequeme Rudergänger-Sitz mit darunter installiertem Kühlschrank, dennoch tendieren wir hier eher zu einem schalenförmigen Exemplar mit höherem Seitenhalt, im Hinblick auf das mögliche Befahren mit diesem Schiff von durchaus raueren Revieren.
Backbords doppelsitzig die Beifahrerbank mit klappbarer Rückenlehne, die aufgrund dieser Funktion im Einklang mit der Querrückbank und dem seitlich angeflanschten Tisch eine vollwertige Dinette für vier Personen entstehen lässt. Theoretisch wäre es sogar möglich, bei absenkbarer Tischvariante, hier einen weiteren Schlafplatz einzurichten. Unter dem Schiebefenster der Aufbaurückwand die dreiteilige, achterliche Sitzbank, deren nach Stb. ausgerichtetes Mittelpolster in hochgeklappter Position den Weg in die Unterflurkabine frei gibt. Dort schließlich Schlafplätze für vier Personen.

Dreigeteilt das mit Echt-Teak-Sitzflächen aufgewertete Staukastensystem und Bodenluk im Vorschiff, separatem Gasflaschen-Reservoire, Ankerkasten, offener Bugreling mit Einstiegshilfe und ordent- lichen Festmacherbeschlägen. Stufenlos die mit Antislipp lackierten, von hohem Schanzkleid gesicherten Gangbords in Richtung Cockpit. Seitliche Backskisten, unter einem servicefreundlich zugänglichen Luk der Maschinenraum, die großzügig gestaltete Relingsöffnung auf die Badeplattform mit Antriebs-Inspektionsluk, Fenderhalter und die kompakte, dreisitzige Flybridge mit klappbarem VA-Geräteträger komplettieren das Achterschiff. Wer diesem bevorzugten Freisitz-Außensteuerstand allerdings nur sekundäre Bedeutung beimisst, diese Targa kann auch „oben ohne“ geordert werden.

Fahreigenschaften

Nur zwei Motorisierungsmöglichkeiten bietet die Oy Botnia Marin Ab-Werft bei diesem Targa 27.2-Typ an, und das ist auch gut so. Zum einen die von uns gefahrene maximale 400 PS starke Volvo Penta D6-Variante und bei gleichem Hubraum von 5, 5 Litern, den etwas schwächer ausgelegten, 340 PS starken Sechs-Zylinder-Reihen-Diesel. Im Prinzip baugleiche Maschinen, deren Leistung elektronisch beeinflusst wird. Tendenziell raten wir allerdings zur maximalen Motorisierung, denn erfahrungsgemäß relativieren sich die Betriebskosten bei höherer Power, da um gleiche Fahrwerte zu erzielen, in der Regel weniger Drehzahlen erforderlich sind, was sich wiederum im günstigeren Spritverbrauch niederschlägt. Bei Windstärken um vier bis sechs Beaufort baut sich auch im finnischen „Turku Archipelago“ zuweilen ein ordentlicher Schwell auf, der mitunter in seiner Amplitude an der Einmeter-Marke kratzt, doch wie nicht anders zu erwarten, einer Targa nur ein müdes Lächeln abverlangt. Aus ruhender Position wird nach ca. sieben Sekunden die Gleitgrenze bei 1.900 U/ min erreicht, Z-Antriebsstellung „-5“, Speed 13,8 kn (25,6 km/h), ohne dass der Bug nennenswert seine Nase in die Höhe reckt. Sicht voraus bestens.

Die Einhebel-Schaltung so stehen lassend, allerdings unter gefühlvollem Antriebs-Austarieren bis „+4“, verstreichen weitere 13 Sekunden. Das GPS signalisiert bei 3.600 U/min stattliche 38,9 kn (72 km/h). Immerhin gilt es hier ein Gesamttestgewicht von etwa fünf Tonnen bei Laune zu halten. Auch klar, dass das nicht „für Nüsse“ zu bekommen ist. Dennoch, 82 l/h, ein völlig normaler Wert. Reduziert auf Marschfahrtspeed, 2.750 U/ min, sieht das Ganze schon deutlich ökonomischer aus und von Fahrspaßminderung trotzdem keine Spur. 27,6 kn (51 km/h), 39 l/h, oder auch 0,76 Liter auf einen Kilometer. Das passt. Auch der Geräuschpegel in dieser Fahrstufe kann sich sehen lassen und zeugt von bester Verarbeitung, 75 dB(A) am Steuerstand.
Nach dem Motto „wenn schon, denn schon . . . volle Kanne“, wollen wir es schlussendlich auch nochmal richtig krachen lassen. Bei Vmax das sehr direkt arbeitende Ruder hart gelegt, gerade mal drei Umdrehungen von Seite zu Seite. Der Rumpf legt sich ordentlich auf die Backe, dennoch nix mit der gefürchteten Kavitation am Propellersatz, kein Einhaken oder achterliches Wegschmieren, kein Gefühl der Unsicherheit. Alles im grünen Bereich, alles bestens.

Mein Fazit:

Es ist nicht die erste Targa 27, die der Chronist unter seinen Test-Fittichen hatte. Seit 1977 im Geschäft, war es mir vergönnt, alle drei Exponate fahrtechnisch genießen zu dürfen. Und – die Assoziation sei gestattet – dieser Bootstyp hat sich entwickelt wie ein guter, alter Wein. Er ist von Generation zu Generation immer besser geworden. Man wird lange den Markt analysieren müssen, um in dieser Kategorie ein vergleichsweise ebenbürtiges Exponat zu finden. Exorbitante Fahreigenschaften, solideste Bauqualität, praxisorientiertes Handling, all das sollte jeden Insider überzeugen, auf der Suche nach einem Ganzjahresschiff ohne Schickimicki – „Targa-Typ-Affinität“ vorausgesetzt . . .

Claus D. Breitenfeld
Claus D. Breitenfeld
Testbedingungen
RevierTurku Archipelago/Finnland
Wind (Beaufort)4-6
Strom (Knoten)0,70kn
Wellenhöhe1,00m
Personen an Bord4
Tankinhalt Wasser50l
Tankinhalt Treibstoff300l
Targa 27.2
HerstellerlandFinnland
Motorisierung Test KW (PS):Volvo Penta D6-400 EVC, 6 Zyl. in Reihe, 294 kW (400 PS), 5,5 L Hub., Common-Rail, Turbo, Ladeluftkühl.
AntriebsartZ-Antrieb, Duoprop - Typ "G 5"
Preis Standard/Testschiff:204.561,- / 218.722,-

Messwerte

FahrstufeDrehzahlGeschwindigkeitVerbrauchSchallpegel**
U/minknkm/hl/hl/sml/kmdB(A)
**Gemessen am (Innen)Fahrstand

Beschleunigung O-Vmax minus 1kn. (Sek): 20, Drehkreis in Bootslängen = 1 - 1,5,
Reichweite bei Revierfahrt/Marschfahrt (Tankinhalt-10 %) in sm (km): 935 / 338 (1.732 / 627)
Standgas eingekuppelt6004,408,151,300,300,1658
Revierfahrt (ca. 6kn / 12km/h)1.0006,5012,043,300,510,2765
Gleitfahrtgrenze1.90013,8025,5623,001,670,9073
Marschfahrt2.75027,6051,1239,001,410,7675
V-max.3.60038,9072,0482,002,111,1481
  • 9,19m
  • 3,10m
  • 1,10m
  • 3,45m
  • 250-294KW / 340-400PS
  • GFK
  • 530l
  • 100/55l
  • 4.200kg
  • B
  • 6/10
  • 4+Salon
  • 38,90kn / 72,04km/h
  • 1.732km / 627km