Test Jeanneau Velasco 37 F – Reisefieber

Zur Saison 2015 stellte Jeanneau mit der Velasco 43 und 37 F zwei weitere Modelle der Baureihe vor. Redakteur Christian Schneider ging zu Abwechslung mal auf ruhigen Binnengewässern an Bord der 37 F und entdeckte eine Yacht, die Lust aufs Losfahren macht.

Design

Mit der Velasco 43 F und 37 F werden nun zwei Modelle vorstellt, deren Aufbau mit nach achtern geneigten Scheiben das Gesamtbild gestreckter und im Ganzen eleganter wirken lassen, als das der „Ur-Velasco“ (Test in WasserSport 01/2014), die aber weiterhin im Programm ist. Deren Design erinnert mit ihren nach außen geneigten, vorderen Scheiben an den herben Charme professioneller Fahrzeuge. Was in Nordeuropa den Zeitgeist trifft, ist jedoch nicht überall angesagt. Im Süden wird ein eher Yacht-mäßiges und eleganteres Aussehen bevorzugt, weshalb die Designer von Jeanneau und Tony Castro Design das Aussehen der Yacht an diesen mediterranen Geschmack anpasst haben. Ansonsten steht der Name Velasco weiterhin für kraftvolle, seegängige Reiseschiffe, die durch funktionalen Komfort, viel Platz für Crew und Ausrüstung sowie natürlich guten Fahrleistungen überzeugen wollen.

Konzept, Verarbeitung

Die Aufteilung im Salon wendet sich dankenswerterweise wieder bewährten Mustern zu. So findet sich in beiden „F“-Modellen an Backbord hinter dem nach vorne ausgerichteten Beifahrersitz, wieder eine längsschiffs angeordnete, gut ausgestattet Pantry mit viel Arbeitsfläche und Stauraum gegenüber dem großzügigen U-Sofa. Auch im Vorschiffsbereich ist die Anordnung klassisch mit der Eigner-Kammer mit V-Koje, die sich über Einlegepolster und einen Ausziehmechanismus verlängern lässt. Die Unterflur-Gästekammer an steuerbord, bietet durch das hochliegende Deck des Salons eine für solche Kabinen vergleichsweise gute Raumhöhe. Der Schrank- und schnell zugänglicher Stauraum ist in beiden Kammern für das Notwendigste vorhanden. Die Nasszelle an Backbord verfügt über eine abgeschlossene Duschkabine, mit ausreichender Stehhöhe auch für große Personen. Die Gestaltung des Interieurs, die verwendeten Materialien und deren Verarbeitung liegen auf hohem Niveau. Hier wird keine Hausmannskost geboten, sondern erfreut französischer Chic und Liebe zum Detail das Auge. Dabei wirkt das Schiff wohnlich und hell, bietet im Salon einen großzügigen 360 Grad Ausblick und einen Raum, in dem man sich gerne aufhält. Die dunklen Holzoberflächen und die hellen Polster und Wandflächen kontrastieren sehr harmonisch miteinander und schaffen eine wohnliche, elegante und dezent maritime Atmosphäre.

Gute Übersicht in alle Richtungen hat der Skipper vom Innenfahrstand aus. Die seitliche Schiebetür erlaubt das Fahren der Velasco auch vom breiten Seitendeck aus, allerdings muss der Skipper zum Belegen der Spring hinter sich greifen, da die Springklampe in der Schiffsmitte hinter der Tür montiert wurde. Bei schönem Wetter erweitert sich der Salon durch das Öffnen der dreiteiligen, achteren Glasschiebetür zum überdachten Achterdeck hin zu einer luftigen Lounge auf dem Wasser, die beide Lebensräume miteinander verbindet. Wie schon auf der großen Schwester tun sich unter den Bodenklappen wahre Stauraum-Abgründe auf. Praktische Schubladensysteme lassen Werkzeug, Ausrüstung und Equipment für die große Reise seefest verstaut verschwinden. Gut gelöst: Der Vorhang hinter dem Fahrersitz trennt den vorderen Teil des Salons vom achteren, schafft bei Bedarf zwei optisch getrennte Lebensbereiche mit je einem eigenen Eingang vom Seitendeck oder achtern aus und – noch wichtiger – erlaubt es bei Nachtfahrten den hinteren Bereich vom Fahrer zu trennen, dessen Sicht dann nicht durch das Salonlicht gestört oder geblendet wird. Handgriffe und Möglichkeiten sich im Seegang festzuhalten sind ausreichend vorhanden.

Sonnenhungrige können ihrer Leidenschaft auf der großzügigen Liegefläche auf dem Vorschiff oder aber auf der riesigen Flybridge frönen. Die ist nicht nur der Außenfahrstand mit Aussicht, sondern hier spielt sich bei schönem Wetter auch das soziale Leben an Bord ab. Die großzügige Sitzgruppe bietet Platz für die ganze Crew und der Flussskipper genießt von hier aus den Blick über den Deich. Sehr positiv fällt die gute Verarbeitung der Materialien, sowie die saubere und übersichtliche Installation und Montage der technischen Komponenten auf, die sich auch in versteckten, nicht sofort offensichtlichen Stellen zeigt.

Fahreigenschaften

Dass eine Flussfahrt auf der ruhigen Binnenelbe das Schiff nicht dergestalt fordert, wie seinerseits der stürmische Test der großen Schwester in der Lübecker Bucht, ist klar. Trotzdem lassen sich klare Aussagen treffen: Die Messwerte geben Aufschluss darüber, dass die beiden Volvo Penta D4-300 Diesel in Sachen Leistung vollkommen ausreichend sind, und die Yacht auf Reise- und Maximalgeschwindigkeiten bringen, die mit Recht das Attribut „sportlich“ für sich in Anspruch nehmen dürfen. Zum Vergleich haben wir die Messungen der Werft veröffentlicht, die auch den Brennstoffverbrauch aufzeigen, den wir an Bord nicht messen konnten, da die entsprechende Funktion in der Electronic Vessel Control (EVC) von Volvo Penta auf unserem Testschiff nicht konfiguriert war. Hierbei fällt auf, dass unserer Messungen auf dem ruhigen Binnenrevier hinsichtlich der Fahrleistungen noch ein wenig günstiger ausfallen als die der Werft, die wahrscheinlich auf See gemessen wurden. Auch wenn wir in dem engen Revier mit viel Kleinbootverkehr mit Rücksicht auf anderer Verkehrsteilnehmer keine aussagefähigen Beschleunigungsmessungen vorgenommen haben, darf der Leser uns dahingehend Glauben schenken, dass der Vortrieb und das Drehmoment der beiden hinreichend bekannten Schweden-Diesel ausreicht, die leer gut acht Tonnen wiegende Yacht druckvoll in die Gleitfahrt zu schieben. Dabei reagiert das Schiff sehr deutlich und direkt auf die Hilfe des Trimmklappeneinsatzes, legt sich brav auf ebenen Kiel und geht sauber „über den Berg“. Enge Drehkreise von 1,5 Bootslängen im Manöverbetrieb und knapp 2,5 Bootslängen in Marschfahrt waren problemlos möglich, ohne dass die Velasco ihre Reiseschiffs-Qualitäten vergaß und sich dabei etwa ungestüm auf die Backe legte. Auch wenn die Diesel bedingt durch die geringere Größe in der 37er unter dem Boden des Salons ihr Werk verrichten und nicht wie bei der 43er unter dem achteren Plichtboden, blieb das Geräuschniveau auf gutem Niveau. Bei 3100 von 3600 möglichen Touren lag eine schön weiche Drehzahl an, die zudem mit gut 20 Knoten das Zurücklegen großer Distanzen in einer kurzen Zeit ermöglichten. Der gemütliche „Binnen-Modus“ war bei 1100 Umdrehungen mit gut 6 Knoten (ca.12 km/h) erreicht. Besonders auf der Fly ließ sich in dieser Fahrstufe die Fahrt mit sehr niedrigem Geräuschpegel und mit bester Übersicht genießen. Das Manövrierverhalten der doppelmotorigen Yacht mit Bug-und Heckstrahlruder gab erwartungsgemäß keinen Grund zur Klage und auch bei Rückwärtsfahrt war ein geringer Radeffekt gut über etwas Gegenruder auszugleichen. In Sachen Seefähigkeit lässt der Ausflug auf der Elbe zwar nur Spekulationen zu, dafür verweisen wir aber auch hier wieder auf die Testfahrt mit der größeren Schwester, die sich bei zwei bis drei Meter Welle auf der herbstlichen Ostsee auch mit hoher Fahrt selbst quer zur See nicht den Schneid abkaufen ließ und sich keine Blöße gab. Konstruktive Gene, die auch bei der Velasco 37 für ein gutes Seeverhalten sorgen dürften. Wem die insgesamt 600 PS im „Keller“ nicht reichen, der bekommt mit zwei Cummins QSB7 Dieseln mit je 380 PS alternativ noch mehr „Druck im Kessel“, der für Geschwindigkeiten an der 30 Knoten Grenze reichen sollte.

Mein Fazit:

Jeanneau liefert einen erneuten, überzeugenden Beweis dafür, dass man es in Frankreich versteht, gute Schiffe zu bauen. Die Bauqualität bewegt sich auf einem hohen Niveau, die Fahreigenschaften sind überzeugend. Auch bei der Velasco 37 ist eine klare, funktionale Linie erkennbar, die aber den Chic und eine gewisse französische Eleganz nicht außen vor lassen. Durchdachte Lösungen im Detail und ein schlüssiges und konsequentes Gesamtkonzept ergeben ein Reiseschiff zum Leben und genießen an Bord, das aufs losfahren macht. Wer nicht auf sehr niedrige Durchfahrtshöhen angewiesen ist, dem ist die Velasco 37 F ein komfortabler, geräumiger aber gleichzeitig übersichtlicher und fast noch kompakter Reisegefährte, der sowohl im Binnen- als auch im Seebereich und schlussendlich auch in Sachen Preisgestaltung eine sehr gute Figur macht.
Christian Schneider
Jeanneau Velasco 37 F
Konstruktion/DesignTony Castro Design / Jeanneau
HerstellerlandFrankreich
Motorisierung Test KW (PS):2x Volvo Penta D4-300
AntriebsartWelle
Preis Standard/Testschiff:296310 ,-/ 329900,-
  • 11,43m
  • 3,84m
  • 0,83m
  • max 4.99/ min 4,37m
  • 2x 221 - 2x 280KW / 2x 300 - 2x 380PS
  • GFK
  • 2 x 400l
  • 330l
  • 8271 (leer)kg
  • B/C
  • 10 / 12
  • 2 + Salon
  • 4+2