Test Targa 30.1

Zugegeben, Targa-Boote und Yachten sind nicht jedermanns Sache. Das sie umgebende Flair zielt ab auf jene Klientel, die wissen worum es geht, ist Seemannschaft angesagt. Darüber hinaus, wer dieser finnischen Werft den Zuschlag zum Bau „seines Schiffes“ erteilt, der weiß wovon er spricht, mit wem er es zu tun hat und was er erwarten kann – nämlich Individualität, gepaart mit höchster Qualität in Perfektion. Claus D. Breitenfeld törnte mit dem jüngsten Spross dieser Baureihe, der „Targa 30.1“, durch das Turku-Archipelago vor den Gestaden Nauvos.

Kenner der motorisierten Freizeit-Sportbootszene könnten jetzt eventuell ein Veto einlegen, wird der Testproband hier als brandneues Modell vorgestellt. Dem muss insoweit zugestimmt werden, als dass dieses Schiff in der Tat Mitte letzten Jahres unter dem Label „Targa 30“ der versammelten, internationalen Fachpresse in Finnland präsentiert wurde, wie auch in diesem Report auf den Fotos unschwer zu erkennen. Richtig ist auch, dass die erste Targa „30“ bzw. „31“ bereits im Jahre 1997 auf Kiel gelegt wurde, also vor rund 20 Jahren.

Um jedoch in der erfreulicher Weise recht übersichtlichen Modellpalette von gerade `mal acht Exponaten, wo eigentlich jeder (Eigner)-Topf seinen Deckel finden sollte, nicht unnötig Verwirrung zu stiften, entschloss sich die Werft die „30/31er“ kurzerhand in eine „30.1“ umzuwidmen. Und das auch mit absoluter Berechtigung, denn über die Zeitspanne von zwei Jahrzehnten hat sich nicht nur einiges, sondern Elementares geändert.

Das beginnt mit der Länge ü. A., die seinerzeit  bei der 30er 9,63 m betrug, die 31er brachte es immerhin auf 9,90 m und die „30.1“ hat nun die Zehner-Schallgrenze mit 10,08 m durchbrochen. Sie schließt damit die Lücke zwischen der „27.1“ und der „32“.

Design, Konzept, Verarbeitung

Robert Carpelan, Sales Director bei „Oy Botnia Marin Ab“, so der offizielle Werftname, bringt es auf den Punkt: „Targa-Schiffe sind weit entfernt vom `Bootsbau von der Stange´. Wir geben unseren Kunden ein Produkt an die Hand, haargenau zugeschnitten auf deren persönliche Bedürfnisse. Wünsche und Anforderungen künftiger Eigner werden nach dem Custom-build-Prinzip realisieret“. Dafür sind etwa 200 hochengagierte, fachlich auf den neuesten Stand der Technik geschulte Bootsbauer tagtäglich im Einsatz.

Gegründet  wurde die Werft im Jahre 1976 von Johan Carpelan und seiner Frau Brit-Marie. Als reinrassiger Familienbetrieb ist die zweite Generation heute längst voll ins operative Tagesgeschäft involviert, stets die selbst auferlegten, hochgesteckten Qualitätsansprüche im Auge behaltend, basierend auf einem sehr hohen Level und schöpfend aus einem riesigen Erfahrungsschatz. Bestens bewährt hat sich auch der intensive Kontakt zum weltweiten Händlernetz. Dessen Feedback und die Intentionen der Endkunden sind eine wichtige Voraussetzung für gleichbleibende, hohe Qualität und permanente Optimierung in allen Produktionsbelangen. Egal, unter welchen klimatischen und wetterwidrigen Bedingungen, egal mit welchem „Botnia“-Schiffstyp ein Törn auch abgeritten wird, das Bestreben der Werft ist es, stets typisches „Targa-Feeling“ an Bord gegenwärtig sein zu lassen – komfortabel und sicher, auch unter härtesten Vorzeichen. Kein Wunder daher, dass viele Einsatz- und Rettungskräfte auf diese finnischen „Wrestler auf dem Wasser“ schwören.

Bereits das Anbordgehen bei dieser „30.1“ vermittelt ein Gefühl von souveräner Stärke. Jedes Relingsteil, jeder Handlauf, die Backs- und Vorschiffs-Staukästen, der Flybridge-Freisitz, die tiefen, breiten Gangbords und besonders schiffig, der komplette, üppige Teakholzausbau, sowohl unter als auch an Deck, sowie die perfekte GfK-Struktur lassen erahnen, mit wieviel Akribie, Sachverstand und Herzblut die finnischen Bootsbauspezialisten zu Werke gehen. Eine Augenweide der Cockpitbereich mit dem großzügigen Durchgang auf die tiefer liegende Badeplattform mit Heckanker und Inspektionsluk, die spaltmaßgenau sauber eingepassten Bodenluken über dem servicefreundlichen Maschinenraum, in dem Volvo Pentas D6-400 vor sich hin dieselt. Beste Rundumsicht von der Fly für Rudergänger und Co., leicht zu erklimmen von achtern über zwei Tritte. Auf der Bugspitze schließlich das Ankergeschirr, flankiert von Relingsbügeln.

Zwei seitliche, zu arretierende Schiebetüren machen den Weg frei unter Deck. Und wieder empfängt den Betrachter das typische Targa-Ambiente mit Holz ohne Ende, sogar über die komplette Deckenfläche des Salons. Im Frontbereich backbords unter einem Luk die Pantry mit zweiflammigem Gaskocher samt Spüle, mittig der Niedergang in die Vorschiffskabine, abgedeckt durch ein Klappluk mit Innenleben. Die Schlafstätte selbst kuschelig gemütlich im V-Bett-Format unter Ausnutzung jedweder Staumöglichkeiten in den Schotts und Wegerungen.

Steuerbords im Ruderhaus neben der Schiebetür der Steuerstand mit vertikal zu kippendem Armaturenbrett. Unter dem horizontal zu verschiebenden, pneumatisch gedämpften Schalensitz des Rudergängers der Kühlschrank, gegenüber ein Doppelsitzer für die Copiloten, umzufunktionieren per flexibler Rückenlehne in eine Achteraus-Bank. Das Pendant schließlich an der achterlichen Salonwand und dazwischen ein Klapptisch. Fertig ist die Dinette.

Ein echtes Aha-Erlebnis offenbart sich beim Stubendurchgang achtern in der Unterflursektion, die bis in die Schiffsmitte reicht. Diesen Platz teilen sich drei Kojen in Form von Doppelbett und Einzelliege. Das pfiffige Raumkonzept macht’s sogar möglich, hier eine Sanitärabteilung mit Dusche und Toilette zu  instalieren. Es dürfte schwer sein, einen 30-Füßer im Markt zu finden, dessen Platzangebot an und unter Deck diese Targa übertrifft.

Fahreigenschaften

Wohl kaum eine Crew sehnt sich danach, permanent von aufgewühltem Kabbelwasser durchgeschüttelt zu werden. Dennoch, stets nur unter Ententeich-Bedingungen langweilig dahinzugleiten, das ist’s auch nicht, jedenfalls nicht mit dieser Targa, der die Action quasi auf den Rumpf geschrieben ist. Der direkte Zugang zur offenen See des finnischen Testarchipels und die permanente Umzingelung von einer Armada mit rund 40 wildgewordenen, parallel kreuzenden Testprobanden, waren der Garant  für „rough Sea“ und somit der ideale Tummelplatz für die „30.1“.

Hebel auf den Tisch lautete das Motto und durch. Selbst bei bis zu einem Meter Wellenhöhe kann die volle Drehzahl von 3.600 U/min angelegt bleiben, die Targa knallt einfach über die Schaumkronen hinweg. Dass dabei schon `mal der Kontakt zum nassen Element verloren geht, was soll’s?! Wichtig ist dabei nur, „im Flug“ die Gaszufuhr möglichst zu drosseln, damit der frei werdende Antrieb ohne Gegendruck nicht kollabiert. Landet der Rumpf nach dem Sprung wieder satt im Wasser, klingt das wie Musik in Insider-Ohren und man spürt förmlich die Stärke dieses Schiffes. Nix mit hohlklingendem, joghurtbecherähnlichem Gerappel und Geschepper, nein, das sind Bedingungen, mit denen der Rumpf regelrecht spielt. Unter diesen Vorzeichen das Ruder hart gelegt mit lediglich sportlichen drei Umdrehungen, egal, in welche Richtung, legt sich die „30.1“ zwar ordentlich auf die Backe, aber Unsicherheit? – nicht die Bohne. Auch kein Einhaken oder achterliches Wegschmieren, der vorgegebene Kurs wird exakt gehalten.

Gerade `mal acht Sekunden verstreichen, bis aus ruhender Position die Gleitphase erreicht ist, die schließlich mit knapp 2.000 U/min bei 23 km/h (12,5 kn) gehalten werden kann. Auf ökonomische Marschfahrt von etwa 40 km/h (21,5 kn), einigte sich die Testcrew bei 2.500 U/min, erreicht nach 15 Sekunden. Und Vmax liegt an bei 3.600 U/min, 66,7 km/h (36 kn). Um gefühlvoll ausgetrimmt diese Fahrstufe zu erreichen, gehen weitere 15 Sekunden ins Land. Bei einem Testgewicht von annähernd sieben Tonnen, Werte, die sich sehen lassen können. Das gilt auch für die Manövriereigenschaften ohne Zuhilfenahme der Bugschraube. Sie pendeln sich voraus und nach achtern, über Bb. und Stb. zwischen einer bis eineinhalb Bootslängen ein. Damit sollte wohl jeder Liegeplatz ohne Probleme angesteuert werden können.

Zu guter Letzt noch der obligatorische, spiegeltraktierende Versuch, aus ruhender Position mit sukzessiv gesteigerter Drehzahl bis zum Gasanschlag bei harter Ruderlegung dem Propeller unschöne Kavitationserscheinungen zu entlocken – Fehlanzeige. Und wie sieht’s mit den Geräuschemissionen aus? Unter 50 dB(A) im Leerlauf, das zeugt von optimaler Motorraumdämmung. Der der Spitzenwert von 81 dB(A) hingegen, ist nicht der Maschine anzulasten, Wind und Wellen tragen den Großteil dazu bei. Resümee: Alles im „dunkel“-grünen Bereich. 

Mein Fazit:

Auf der Suche nach dem besonderen, passgenauen Schiff, wird der Griff nach einer Targa – egal, ob die hier vorgestellte „30.1“ oder ein Schwester-Exponat – immer der Richtige sein. Wie „des Kaisers neue Kleider“, so fertigt auch die „Oy Botnia Marin Ab“-Werft Schiffe nach Kundenwunsch mit vortrefflichen Fahreigenschaften in edler Qualität. Ein wahrer Genuss, mit Schiffen dieses Schlages auf Törn zu gehen.
Claus Breitenfeld
Oy Botnia Marin AB Targa 30.1
Konstruktion/DesignOy Botnia Marin AB
HerstellerlandFinnland
Motorisierung Test KW (PS):Volvo Penta D6-400, 294 (400)
AntriebsartHeckantrieb
Preis Standard/Testschiff:247591,- / 261687,-
  • 10,08m
  • 3,25m
  • 0,95m
  • 3,20-4,40m
  • 1x 243 - 2 x 221KW / 1 x 330 - 2 x 300PS
  • GFK
  • 600l
  • 120l
  • 5500 (leer)kg
  • B / C
  • 6 / 11
  • 2 +1
  • 3 +2