Ein Ausrüstungsgegenstand an Bord, mit dem die allermeisten Segler nur die positiven Seiten des Segelns verbinden, ist die Badeleiter. Alleine der Name suggeriert bereits, dass es sich dabei um ein Gerät für puren Badespaß handelt. Dabei kann und muss die Wiedereinstiegseinrichtung, wie die Badeleiter im Behördenjargon genannt wird, Leben retten und zählt zur Sicherheitsausrüstung jedes Bootes. Umso erstaunlicher, dass ihr im Allgemeinen wenig Aufmerksamkeit zuteil wird.
Bei einem der bekanntesten und gleichzeitig verstörendsten Unfälle in der näheren Vergangenheit spielte nämlich genau die Badeleiter eine zentrale Rolle. Zu diesem Schluss kam die Bundesstelle für Seeunfalluntersuchungen (BSU), die die anschließende Aufarbeitung des Unglücks durchführte, bei dem ein Segler sein Leben verlor.
Was war passiert? Die Ausbildungsyacht Special One vom Typ Salona 45 befand sich im Jahr 2011 auf dem Weg von Fehmarn nach Dänemark, als ein Besatzungsmitglied beim Klarieren der ausgerauschten Großschot über Bord ging. Obwohl er sich an der Schot festhalten konnte und damit die Verbindung zum Schiff nicht verlor, gelang es den sieben anderen Crewmitgliedern, von denen fünf ausreichend qualifiziert waren, nicht, den Segler wieder an Bord zu bekommen. Sämtliche Versuche scheiterten. Bei dem Versuch, den Mann achtern über die Badeleiter an Bord zu hieven, wurde die Badeleiter beschädigt und ein weiteres Besatzungsmitglied fiel ins Wasser. Während es gelang, diesen wieder an Bord zu bekommen, trieb der andere Segler jedoch ab, und es gelang nicht, erneut eine Verbindung herzustellen. Später konnte nur noch der Tod des Mannes durch Ertrinken festgestellt werden.
Bei der Badeleiter, die auf der Salona zum Einsatz kam, handelte es sich nicht um eine fest installierte, sondern um eine mobile Leiter, die üblicherweise in einer Backskiste lagerte und nur bei Bedarf zum Einsatz kam. Bei der Installation wurden in der Hektik der Situation Fehler gemacht. Sie wurde nicht korrekt installiert und mit einer Rändelschraube gesichert, was letztlich dazu führte, dass beim Versuch der Bergung ein Gelenk der Leiter brach und sie damit nicht mehr einsatzbereit war. Die BSU sprach nach der Auswertung des „sehr schweren Unfalls“ mehrere Sicherheitsempfehlungen aus. Darunter unter anderem diejenige, die entsprechende Norm (DIN EN ISO 15085), in der es um die Wiedereinstiegshilfen geht, in den Anforderungen zu konkretisieren. Außerdem sollten Begrifflichkeiten in Normen, Regeln und Gesetzen vereinheitlicht werden.
War es unter Umständen früher noch möglich, auf ein Boot ohne Badeleiter aufzuentern, ist dies heutzutage bei modernen Yachten fast unmöglich. Zu hoch sind die Bordwände. Außerdem stellen die inzwischen bei fast allen Herstellern verbreiteten klappbaren Badeplattformen Konstrukteure und Werften vor Probleme. So praktisch diese auch sind: das Wiederanbordkommen eines Überbordgegangenen machen sie in vielen Fällen nicht leichter.
Die Sportbootrichtlinie der Europäischen Union fordert, dass „Wiedereinstiegsmittel für eine im Wasser befindliche Person ohne fremde Hilfe zugänglich sein beziehungsweise von ihr ohne fremde Hilfe entfaltet werden können“. Ein geschlossener Spiegel mit festen Stufen oder einer fest installierten klappbaren Leiter ist vom Wasser aus erreichbar und erfüllt diese Ansprüche, eine glatte hochgeklappte Badeplattform nicht. Selbst eine herabgelassene Badeplattform ist für eine ermüdete und womöglich unterkühlte Person nicht ohne Weiteres zu erklimmen. Die Konstrukteure sind daher dazu übergangen, das Problem zu lösen, indem sie in einem Röhrenartigen Staufach am Heck, kurz über der Wasserlinie, und damit vom Wasser aus erreichbar, eine herausziehbare Strickleiter installieren. Diese Art der Wiedereinstiegshilfe erfüllt die Anforderungen der Richtlinie und der Norm. Ihr wirklicher Nutzen im Notfall ist aber zumindest fraglich. Sie sind bauartbedingt derart flexibel und in sich instabil, dass sie bei Belastung durch den Segler unter den Rumpf gedrückt werden, was den notwendigen Kraftaufwand, um wieder an Bord zu gelangen, stark erhöht.
Eine feste, massive Badeleiter, die möglichst weit unter die Wasseroberfläche reicht, wäre für eine Person im Wasser sicherlich optimal. An einer Hafenmole oder einem Steg ist dies sinnvoll, allerdings aus Sicht des Seglers natürlich völlig unrealistisch, da niemand permanent eine Widerstand durch das Wasser ziehen möchte. Also muss die Leiter klapp- oder teleskopierbar sein. Ein solcher Mechanismus muss vom Wasser aus zu bedienen sein. Es muss leider gesagt werden, dass viele Segler den Fehler machen, ihre Badeleiter unnötig aufwendig zu sichern, sodass eine Person im Wasser niemals die Chance hätte, die Leiter zu benutzen. Ist es bauartbedingt zwingend notwendig, die Leiter zu sichern, weil sie sich sonst von alleine ausklappt oder löst, so muss dies eben so erledigt werden, dass eine Person die Sicherung aus dem Wasser heraus entfernen kann. In vielen Fällen reicht schon ein einfacher Slipstek, dessen lose Part lang genug ist, um vom Wasser aus erreicht werden zu können. So ist die Leiter in ihrer Position fixiert, kann aber aus dem Wasser heraus entsichert und anschließend benutzt werden. Natürlich sind auch andere Sicherungen denkbar, wichtig ist bloß, dass sie sich aus dem Wasser heraus lösen lassen. Eine weitere Anforderung an die Leiter sollte die größtmögliche Einfachheit in der Benutzung sein.
Komplizierte Verschluss und Faltmechanismen, die vielleicht aus technischer Sicht interessant sind, müssen vermieden werden. Einerseits sind sie im Notfall nicht narrensicher und könnten durch Fehlbedienung, wie im Fall der Special One, Schaden nehmen und damit ihre Funktion verlieren. Andererseits verursachen sie einen erhöhten Wartungsaufwand. Jedes zusätzliche Gelenk, jedes bewegliche Bauteil und jede Schraubverbindung stellt eine potenzielle Schwachstelle dar. Wie für alle sicherheitsrelevanten Teile an Bord gilt: Simplizität ist Trumpf.
An dieser Stelle ein Appell an jeden Segler, insbesondere an Charterer, die auf ihren Booten immer wieder wechselnde Leitersysteme vorfinden: Probieren Sie die Badeleitern aus. Ziehen Sie die Strickleiter bei gutem Wetter, vor Anker liegend, oder im Hafen, vom Wasser aus, aus ihrer Halterung und testen Sie, wie leicht oder schwer es ist, wieder an Bord zu kommen. Wer dabei schon bei gutem Wetter und in Badekleidung Probleme hat, kann sich vorstellen, wie schwierig es erst bei Seegang und mit einem nassen, schweren Ölzeug wäre. Nicht nur, dass durch das Üben eine gewisse Routine im Umgang mit dem System Notleiter entsteht, es wird auch ganz allgemein das Bewusstsein dafür gestärkt, wie wichtig es ist, das Überbordgehen an sich zu verhindern.