Seekarten zur Befahrensverordnung erst in 12 Monaten
Das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie hat 12 Monate Zeit, um die Seekarten nach und nach anzupassen. So steht es in der neuen Befahrensverordnung (Verordnung über das Befahren der Bundeswasserstraßen in Nationalparken im Bereich der Nordsee – Nordsee-Befahrensverordnung – NordSBefV), die am 28. April in Kraft getreten ist. Einen Überblick über die neuen Regeln verschaffen die Übersichtskarten in den Anlagen der Befahrensverordnung.
Auf zwei Übersichtskarten – eine für das Niedersächsische und Hamburger Wattenmeer, eine für Schleswig-Holstein – sind die Allgemeinen und Besonderen Schutzgebiete, Kitesurf-Zonen und Trockenfallstellen sowie Schnellfahrkorridore, Wasser-Wanderwege und Schutzgebiets-Routen farbig markiert. Die koordinatengenaue Abgrenzung all dieser Bereiche umfasst 278 Seiten.

Das ist neu:
- Allgemeine Schutzgebiete – in den Übersichtskarten grün schraffiert – entsprechen Zone 1 (Ruhezone) des Nationalparks; sie dürfen nun jederzeit befahren werden. Die bisherige 3-Stunden-Regelung, wonach die Bereiche nur drei Stunden vor bis drei Stunden nach Hochwasser befahren werden durften, ist weggefallen. Untersagt ist in Allgemeinen Schutzgebieten das Trockenfallen – es gibt einige wenige Ausnahmen und gesondert ausgewiesene Trockenfall-Stellen für Boote und zusätzlich Trockenfall-Stellen für Kanuten.
- Besondere Schutzgebiete – in den Übersichtskarten dunkelgrün dargestellt – dürfen während der Schutzzeiten vom 15. April bis 1. Oktober gar nicht befahren werden. Das gilt nicht für Fahrwasser und besonders ausgewiesene Routen, die so genannten Schutzgebietrouten. Diese Korridore für den Wassersport können ganzjährig genutzt werden.
- Erlaubniszonen: das Kitesurfen, das Wing-Surfen und ähnliche Sportarten sind zwar grundsätzlich im Wattenmeer verboten, doch die Befahrensverordnung sieht gesondert ausgewiesene Erlaubniszonen vor (in den Übersichtskarten rot). In insgesamt 52 Erlaubniszonen – 30 in Niedersachsen, 22 in Schleswig-Holstein – sind Kite- und Wingsurfen erlaubt.
- Sonderfall Windsurfen: Windsurfer sind in der Verordnung nicht erwähnt – damit ist Windsurfen weder verboten noch haben die Surfer einen Freifahrtschein. Denn Windsurfer müssen natürlich die Regelungen und Befahrensverbote für die Allgemeinen Schutzgebiete und Besonderen Schutzgebiete beachten, allerdings ist Windsurfen offenbar nicht auf die Erlaubniszonen beschränkt.

Kritik an den Regeln
Noch prüfen die verschiedenen Wassersportverbände und betroffenen Vereine, wie sich die neue Befahrensregel Wattenmeer konkret auswirken wird.
Intensiv hatten sie sich im Sommer 2021 eingearbeitet, als der Referentenentwurf veröffentlicht worden war. Schon damals galt es, eine Menge Papier – über 260 Seiten – durchzuarbeiten, um Einwände und Stellungnahmen zu formulieren.
Die Mühe war offensichtlich vergebens: Kaum ein Einwand oder ein Vorschlag wie die Korridorlösung – Trockenfallen bleibt 50 Meter entlang des Fahrwassers erlaubt – wurde eingearbeitet. Auf der anderen Seite wird bezweifelt, dass so genannte Kompromisse wie der Wegfall der 3-Stunden-Regel in Allgemeinen Schutzgebieten überhaupt Sinn machen. Denn das Wattenmeer ist außerhalb der Fahrwasser ohnehin nur in einem engen Zeitfenster befahrbar, will man sich mit seinem Boot nicht im Watt festfahren.
Für Irritationen sorgt zudem, dass in den amtlichen Seekarten zwar in Zukunft die Allgemeinen und Besonderen Schutzgebiete dargestellt sind, nicht aber die Wasserwanderwege, die Schutzgebiets-Routen, die Schnellfahrkorridore und die Erlaubniszonen.
Nicht weit genug gehen den Naturschutzverbänden NABU und BUND die Regelungen der neuen Befahrensverordnung: Der Naturschutz sei zum Beiwerk verkommen, so Nabu-Präsident Jörg-Andreas Krüger. Besonders schwerwiegend sei, dass zu viele Schnellfahrkorridore ausgewiesen wurden und Flächen für Kiter in ohnehin schon belasteten Gebieten weiter vergrößert wurden. Gleichzeitig gebe es keine Einschränkungen mehr zum Befahren der besonders sensiblen Gebiete im Nationalpark bei Niedrigwasser, wodurch die Tiere des Wattenmeers gestört würden.