Saisonstart: Zeit für einen echten Ölwechsel?

Synthetisch oder mineralisch, billig oder teuer, Additive hin oder her – Die Frage nach dem richtigen Öl ist nicht in einem Satz beantwortet...

enthält Produktplatzierungen

Nicht mehr lange und der Krantermin steht an und damit läuft auch für den Motor der Countdown bis zur ersten Zündung der Saison. Wer den Ölwechsel nicht schon zur Einwinterung durchgeführt hat, tut gut daran, dem Motor jetzt die passende Menge frischen “Lebenssaftes” einzufüllen.

Dabei wird nicht selten an den Stammtischen und den Clubhaus-Tresen die Meinung vertreten, dass die verschiedenen Öle letztlich nur Versuche der Mineralölindustrie sind, dem Verbraucher möglichst tief in die Tasche zu greifen. Als „Beweis“ wird von selbsternannten “Kennern” dabei häufig angeführt, man würde schon seit Jahren immer nur das billigste Öl in den Motor füllen und „…der läuft einwandfrei“. Doch unter Umständen nur noch mit reduzierter Leistung, erhöhtem Brennstoffverbrauch und vielleicht auch nicht mehr lange. Denn ein falsches Öl ist wie ein falsches Ersatzteil, das nicht pass genau ist. Dessen Einsatz mag beim Einkauf Geld sparen, langfristig wird aber oft drauf gezahlt.

Öl ist nicht gleich Öl – wie auch im KFZ-Bereich gibt es natürlich auch für Marine-Motoren die unterschiedlichsten Öle je nach Motortyp und Anwendung.
(Foto: Liqui Moly)

Zum besseren Verständnis ist es sinnvoll, sich die Zusammensetzung und Konfiguration der unterschiedlichen Öle einmal anzusehen.

Basisöle

Stephan Weissinger, Anwendungstechniker beim Additiv- und
Schmierstoff-Hersteller Liqui Moly aus Ulm erklärt: „Öle bestehen im Grundsatz
aus den sogenannten Basisölen oder auch Grundölen und einem dem
Verwendungszweck und den Spezifikationen der Motorenhersteller entsprechenden
Additivpaket.“ Ausgangsprodukt dieser Basisöle ist Erdöl.

Bei der Herstellung werden –vereinfacht dargestellt – durch
unterschiedlich aufwendige Verfahren als Endprodukte entweder sog. Raffinate,
Hydrocracköle oder vollsynthetische
Kohlenwasserstoffe (auch Polyalphaolefine) gewonnen. Dabei sind die Raffinate
die am einfachsten und damit am preiswertesten herzustellenden Basisöle. Aufgrund
ihres niedrigen Viskositätsindex, einer starken Veränderung ihrer Viskosität
bei Temperaturänderungen, sind sie nur für Einbereichs-Öle, also nur für einen
Temperaturbereich z.B. als Sommer- oder Winteröl, geeignet. Durch die Zugabe von
Additiven die den Viskositätsindex verbessern, sog. VI-Verbesserern, können sie
aber zum Mehrbereichs-Öl entwickelt werden.

Häufuge Begleiterscheinung minderwertigen Öls: Zähflüssiger Ölschlamm, der Filter und Motor zusetzt und mittel- bis langfristig zum wirtschaftlichen Totalschaden des Antriebsaggregats führt.

Der Vorteil der Hydrocracköle und der vollsynthetischen
Kohlenwasserstoffe gegenüber den Raffinaten ist die gleichmäßigere
Zusammensetzung, die höhere Alterungsbeständigkeit, die u.U. längere
Ölwechselintervalle erlaubt, sowie der geringere Verdampfungsverlust bei hohen
Temperaturen, der sich auf den verdunstungslbedingten Öl-Verbrauch
auswirkt. Auch das Kaltstartverhalten und die Tieftemperatureigenschaften sind
deutlich besser als bei den einfacheren Raffinaten.

Als weiteres Basisöl kommt bei sehr preiswerten Ölen auch das
sog. Zweitraffinat zum Einsatz. Hierbei handelt es sich um aufbereitete Altöle.
„Allerdings sind solche Produkte im richtigen Fachhandel meistens gar nicht zu
finden, sondern werden nur im Billig-Sortiment großer Handelsketten verkauft“,
erklärt Stephan Weissinger.

Schmieren, kühlen, dichten,
schützen

Dieser Motor war nur ein Jahr außer Betrieb. Billiges Öl konnte den Korrosionsschutz nicht gewährleisten. Kondenswasser hat das Öl mit dicken, schaumigen Ablagerungen völlig unbrauchbar gemacht.
(Foto: Liqui Moly)

„Das Schmieren der Motorenteile und damit der Schutz vor
Verschleiß ist eine der Hauptaufgaben eines Motorenöls. Ein weiterer
wesentlicher Aspekt ist die Kühlung, indem die Wärme aus dem
Verbrennungsvorgang aus dem Inneren des Motors mit dem Öl ins Kurbelgehäuse
oder auch zu einem Ölkühler abgeleitet wird. Weitere Aufgaben sind z.B. die
Abdichtung des Ringspalts zwischen Kolben und Zylinder sowie der Schutz vor
Ablagerungen“, umreißt Weissinger das Aufgabengebiet eines Motorenöls. „Besonders
wichtig gerade für Bootsmotoren, die auch über einen längeren Zeitraum nicht
genutzt werden, ist zudem der Korrosionsschutz“, so Weissinger. „Durch die
seltene Nutzung kommt es zwangsläufig zum Kondenswasser- aber auch zum
Kraftstoffeintrag ins Öl. Ein hochwertiges Öl ist alterungsstabil und kann so
etwas länger neutralisieren und ist daher auch länger antikorrosiv wirksam“,
erklärt der Techniker.

„Für Bootsmotoren, die auch über einen längeren Zeitraum nicht genutzt werden, ist der Korrosionsschutz wichtig“

Stefan Weissinger/ Liqui Moly

Deutlicher Verschleiß und Abrieb an der Nockenwelle
(Foto: Liqui Moly)

Wichtig ist auch, dass die Öle gut dichtungsverträglich
sind, so dass Motordichtungen nicht verspröden, schrumpfen oder erweichen.
Zudem muss das Öl sowohl im kalten als auch im heißen Zustand die optimale
Viskosität aufweisen, damit der korrekte Öldruck erreicht wird. Ist der durch
ein zu zähflüssiges Öl zu hoch, können ihm die Dichtungen u.U. nicht
standhalten. Ist er zu niedrig, droht ein Schmierfilmabriss mit erhöhtem
Verschleiß und ggf. ein kapitaler Motorschaden.

Additive

Für die Herstellung späterer Motorenöle werden die Basisöle
entweder rein oder auch in Mischungen untereinander später mit Additiven
versetzt. Erst das richtige Additivpaket macht aus einem Basisöl ein gutes Motoren-
oder Getriebeöl. „Die Additivpakete werden hier maßgeschneidert, damit das
Endprodukt Motoröl die jeweiligen Herstelleranforderungen erfüllt.“, so Stephan
Weissinger. Lange Testläufe unter anspruchsvollen Bedingungen sind nötig, um
die genaue Spezifikation festzulegen. Die Freigaben nach den unterschiedlichen
Normen und der richtigen Viskosität sind auf der Ölflasche und im
Motorenhandbuch verzeichnet.

„Das Öl ist quasi ein flüssiges Ersatzteil. Es muss zum Motor passen.“

Stefan Weissinger/ Liqui Moly

„Entscheidend ist hier das Gesamtpaket“, so Weisssinger und tritt dem Eindruck entgegen, dass ein teures Öl automatisch das bessere, richtige Öl ist. „Das Öl ist quasi ein flüssiges Ersatzteil. Es muss zum Motor passen. Für älteren Motoren kann ein einfaches, mineralisches Öl mit den passenden Additiven durchaus eine gute Wahl sein.“

Gestiegene
Anforderungen

Aufgrund der moderneren Fertigungstechniken, neuer
Materialien und Legierungen haben aber z.B. die Bauteile moderner Motoren
geringere Fertigungstoleranzen als ältere Modelle, arbeiten die Motoren mit
höheren Betriebsdrücken, Temperaturen oder Drehzahlen und haben – bei der
Verwendung des passenden Öls – deutlich längere Ölwechselintervalle, was nicht
zuletzt auch der Umwelt zugutekommt. Dadurch ändern sich aber auch die
Anforderungen an die Fähigkeiten des Öls z.B. hinsichtlich der Viskosität, der
Wärmeleitfähigkeit, der Druck- und Altersstabilität.

Laufbuchse mit deutlichen Laufspuren nach der Verwendung minderwertigen Öls.
(Foto: Liqui Moly)

Die negativen Auswirkungen eines falschen Öls machen sich
aber zumeist nicht schlagartig bemerkbar. Kaum ein Motor wird daher sofort mit
einem Kolbenfresser verrecken, nur weil einmal das falsche Öl verwandt wurde.
Auf die Dauer sind die Auswirkungen jedoch relevant: Neben einem höheren
Ölverbrauch, erhöhtem Verschleiß an Lagern, Nocken- und Kurbelwelle,
Ablagerungen und Rückständen stehen auch eine verminderte Laufruhe sowie ein
erhöhter Brennstoffverbrauch und eine geringere Motorleistung auf der Sollseite
dem niedrigeren Preis des Billig-Öls gegenüber.

Da dies ein schleichender Prozess ist, fällt er vielen Nutzern erst mal nicht auf.  Bedenkt man jetzt allerdings noch die absehbar geringere Lebensdauer des Motors, wird schnell klar: Will man hier nicht am falschen Ende sparen, dann ist es Zeit für einen echten Ölwechsel.

Viskositäts-Klassifikation

Motoröl wird u.a. in Viskositätsklassen durch die sogenannte
SAE-Angabe (Society of Automotive Engineers) eingeteilt. Bei der Wahl der Viskositätsklasse
des Öls sollten die Vorgaben der Motorenhersteller beachtet werden, damit beim
Betrieb der korrekte Öldruck im Motor sichergestellt ist. Ein zu hoher Öldruck
kann die Motordichtungen schädigen und ggf. zum Ölaustritt/Durchfluss führen, ein
zu niedriger Öldruck birgt die Gefahr, dass die Schmierung der im Motor
verwendeten Lager nicht gewährleistet ist.

Die Angaben auf dem Ölgebinde geben Aufschluss über Viskosität und Herstellerfreigaben. (Foto: Liqui Moly)

Moderne Motoröle sind heute Mehrbereichsöle, im Gegensatz zu früheren Zeiten in denen in Sommer- und Winteröle ( = Einbereichsöle) unterschieden wurde. Daher erfolgt heute die Angabe mit zwei Zahlen. Je größer die Zahlen sind, desto zähflüssiger ist das Ö, je kleiner die Zahlen, desto dünnflüssiger ist es.

Viskositäts-Tabellen

Die erste Zahl mit einem einem ‚W‘ steht für ‚Winter‘ und gibt verschlüsselt an, bis zu welcher Temperatur das Öl unter den SAE-Bedingungen noch pumpbar ist.

Die zweite Zahl für die Hochtemperatur-Viskosität gibt Aufschluss über das Fließverhalten bei einer Temperatur von 100 Grad Celsius an.

Motoröl Tiefsttemperatur, bei der das Öl
nach SAE J 300 noch pumpbar ist  
SAE 0W −40 °C
SAE 5W −35 °C
SAE 10W −30 °C
SAE 15W −25 °C
SAE 20W −20 °C
SAE 25W −15 °C
Motoröl min. Viskosität bei 100 °C
SAE 16 5,6 mm²/s
SAE 20 6,9 mm²/s
SAE 30 9,3 mm²/s
SAE 40 12,5 mm²/s
SAE 50 16,3 mm²/s
SAE 60 21,9 mm²/s