Test Mercury Verado V12

Nicht kleckern, sondern klotzen, lautete die Devise, als sich ein Team engagierter Mercury-Ingenieure und Entwickler dransetzte, mit einem 600 PS starken 12 Zylinder-Außenbordmotor das fetteste Aggregat zu konstruieren, was sich Bootseigner derzeit an den Spiegel ihrer Yacht bolzen können. Doch dabei ging es aber nicht nur um die pure Leistung, sondern um technische Innovation.

Außenborder für große Boote

Foto: Mercury Marine

Der Motor selbst verfügt über einen selbst ansaugenden, großen 7,6 Liter Hubraum, einen Motorblock mit vier Nockenwellen, der ein beeindruckendes Drehmoment erzeugt. In Sachen Gewichts-/ Leistungs-Verhältnis = ca. 1PS/ kg passt das Ganze, auch wenn der V12 inklusive der Betriebsstoffe – hier sind allein 13,3 Liter (!) Öl fällig – an der 600 kg Marke kratzt. Damit eignet er sich in erster Linie für große, schwere Boote, dann aber auch gerne in mehrfacher Ausführung.

Drehmoment zählt

Der Durchzug und das Drehmoment der beiden doppelt motorisierten Testboote, an denen das Leistungspotential der Motoren auf dem Yachtigfestival in Cannes vorgeführt wird, zieht einem im wahrsten Sinne „die Schuhe aus“. Eine gewisse Bedachtsamkeit im Umgang mit dem Gashebel ist angesagt, wie uns Nico Bertels, Inhaber der belgischen Powerboat-Edelschmiede Bernico an Bord eines Bernico RXP14 RIBs eindrucksvoll demonstriert. Die insgesamt 1200 PS aus 15,2 Litern Hubraum und 24 Zylindern zeigen sich gewaltbereit: Bereits ein kurzes, aber zügiges Schub geben in Verdrängerfahrt ist geeignet, einem das Deck unter den Füßen wegzuziehen. Nie war es einfacher, unliebsame Crewmitglieder über die Kante zu katapultieren.

Foto: Mercury Marine

Neu ist das lt. Hersteller erste Zwei-Gang-Automatikgetriebe der Branchefür einen Außenbordmotor. Es optimiert die Motordrehzahl sensorgesteuert und lastabhängig und soll so die kräftige Beschleunigung und effiziente Leistung beim Fahren ermöglichen. Wer nun befürchtet, dass es bei hohen Geschwindigkeiten einen deutlichen Ruck durch den Schaltimpuls gibt, kann sich zurücklehnen – der Vorgang geschieht in der Praxis butterweich und völlig unmerklich. Nur der Blick aufs Speedo und den Drehzahlmesser gibt einen Hinweis darauf, dass hier wohl etwas passiert sein muss, wenn das vollbesetzt und betankt ca. acht Tonnen wiegende 14 Meter Hochleistungs-RIB mit 50 Knoten (92 km/h) Marschgeschwindigkeit, bei lediglich ca. 3000 U/min übers Wasser ballert.

Bernico RXP 14 RIB

Bernico RXP 14 RIB (Foto: Mercury Marine)

Das RIB aus dem Haues Bernico ist es in diesem Zusammenhang Wert, gesondert erwähnt zu werden, stellt es doch technisch und konstruktiv eine Benchmark im Bau von ultimativen großen Power-RIBs dar. Der belgische Wasserski-Champion, Powerboat-Rennfahrer und Bootsbauer Nico Bertels und sein Sohn Buby, der ebenfalls im Motorboot-Rennsport aktiv und erfolgreich ist, bauten diesen RIB der Extraklasse in ihrer belgischen Edelschmiede für leistungsstarke Powerboote und RIBs. Aufgrund der langjährigen Zusammenarbeit mit Mercury, hatten sie als eine der ersten europäischen Werften die Gelegenheit, den neuen V12 Motor an dem Groß-RIB zu installieren und zu testen. Vmax sind mit dieser Motorisierung an der Bernico RXP 14 übrigens bis zu 68 Knoten (ca. 126 km/h) drin, so Werftchef Nico Bertels – an der Feinabstimmung arbeite man aber noch, ergänzt er augenzwinkernd. Na klar, die 70 auf der Logge sind Ehrensache.

  • Länge über alles:                        14.00 Meter
  • Breite: 3,50 Meter
  • Tiefgang: 0,80 Meter
  • Leergewicht mit Motoren:       6,80 Meter
  • Motorisierung:                              2x Mercury Verado V12 à 600 PS
  • Brennstoff: 1200 Liter
  • Wasser: 150 Liter
  • CE-Kat / Pers.: B/10

Sessa 40 Key Largo

Foto: C. Schneider

Ein satter Druck am Gashebel und schon ist auch die zweite Test-Yacht, eine vollgetankt und besetzt ca. zehn Tonnen wiegende Sessa 40 Key Largo in der Gleitfahrt und knackt locker die 50 Knoten-Marke, derweil sich die mitfahrenden Fach-Journalisten im Achterschiff am Cockpittisch festkrallen. Nicht von ungefähr: Das Wort „kraftvoll“ ist als Beschreibung für den Punch bei der Beschleunigung beim Spurt aus dem Stand mit „auf den Tisch“ geknallten Hebel ungefähr so passend wie das Wort „Ohrfeige“ für den Faustschlag eines frustrierten Hooligans nach verlorenem Fußballspiel. Die Beschleunigung aus der Kombination von Duoprops und der spontanen Gasannahme der Benziner setzt mit der brachialen Wucht einer Dampframme ein, während der Luftzug beim Durchstanzen der Atmosphäre auch die letzte Falte aus dem Gesicht bügelt.

Wer will, der entlockt dem Motor dank der feinfühligen DTS- Steuerung in Verbindung mit dem Zweigang-Getriebe aber auch geschmeidige Wesenszüge, und lässt den Motor sanft und ohne viel Aufhebens durchs lineare Drehzahlband gleiten. Unabdingbar, um z.B. in der Welle kontrolliert und komfortabel zu fahren.

  • Länge über alles:                         11,94 Meter
  • Breite:                                              3,50 Meter
  • Tiefgang:                                        0,68 Meter
  • Leergewicht mit Motoren:       7,9 Tonnen
  • Motorisierung:                              2x Mercury Verado V12 à 600 PS
  • Brennstoff:                                     1100 Liter
  • Wasser:                                           230 Liter
  • CE-Kat / Pers.:                               B/12

Neues Motorenbefestigungs-System und Geräuschdämpfung

Dabei ist der neue Mercury V12 keinesfalls ein krawalliger Schreihals, der seine Leistungsdaten prollig herauskrakeelt. „Wir haben uns bewusst für die Entwicklung eines V12 entschieden, da dessen Laufkultur unvergleichlich ist…“ so die Mercury Techniker bei der Präsentation. In der Tat: Kultur statt Krawall lautet hier die Devise: Das Aggregat glänzt mit seidenweichem Lauf und einer kraftvollen, aber akustisch angenehm zurückhaltenden Soundkulisse, die fast von den Wind- und Wellengeräuschen überlagert wird. Das ist aber nicht nur den 12 Zylindern geschuldet, auch an der Peripherie wurde fleißig gefeilt: Ein robusteres, noch raffiniertes Advanced MidSection (AMS) Motorbefestigungssystem der neuesten Generation sichert den Motorblock, so dass Geräusche und Vibrationen nicht auf den Bootskörper übertragen werden, während eine sorgfältige Motorabstimmung die Ansauggeräusche dämpft und Einspritzgeräusche lt. Hersteller nahezu eliminiert. Zudem verhindert die Motorhaube des neuen Mercury V12 Verado 600 Vibrationen und dämpft Induktionstöne und Injektionsgeräusche.

Unabhängig lenkbares Getriebegehäuse

Foto: Mercury Marine

Eines der weiteren innovativen Highlights ist das erste lenkbare Getriebegehäuse an einem Außenbordmotor. Es schwenkt unabhängig unter Wasser, während der Motorblock in einer platzsparenden, festen Position bleibt. Dies schafft mehr Raum für Konfigurationen mit mehreren Motoren und einen breiteren Lenkwinkel für eine agile Handhabung. Mit den gegenläufig rotierenden Duo-Propellern gibts zudem besseren Grip beim Manövrieren. Optisch ist es gewöhnungsbedürftig, zu erleben, wie das Boot enge Kurven fährt, während sich die Motorengehäuse am Heck keinen Millimeter bewegen.

Lange Serviceintervalle, einfache Montage

Alle 200 Betriebsstunden sollte der V12 zum Service, die zusätzliche Wartung ist alle 1000 Betriebsstunden oder maximal alle fünf Jahre fällig. Dafür muss das Boot nicht aus dem Wasser. Wie beim Auto ist durch die oben zu öffnende Motorhaube der unkomplizierte Zugang für die regelmäßigen Wartungsarbeiten gewährleistet. Dadurch sinken der Zeitaufwand und die Kosten.

Einfacher Service-Zugang über die obere Motorhaube.
Foto: Mercury Marine

Und auch die Installation der Motoren in Verbindung mit der neuen DTS-Steuerung ist laut Buby Bertels, Offshore-Rennfahrer, Sohn des Bernico-Werftchefs Nico Bertels und Techniker im Familienbetrieb deutlich vereinfacht worden. „Lediglich ein Kabelstrang führt zum Motor und muss angeschlossen werden, die neue Motorhalterung bietet zahlreiche Möglichkeiten der Anpassung an den Spiegel des Bootes und das gesamte System ist beindruckend logisch, funktional und fertigungsgerecht aufgebaut“, so Bertels, der darin für die Werften den besonderen Vorteil des neuen Boliden erkennt.

Große Lichtmaschine, moderne Elektroniksysteme

Großes Boot, großer Motor = viel Technik und Elektronik. Die Energieversorgung für die Bordbatterien ist mit dem neuen Mercury V 12-Verado aber gesichert. Mit einer 150 Ampere Lichtmaschine ist genug Leistung für die Bordtechnik abrufbar. Intuitive Merkmale wie Next Gen Digital Throttle & Shift-Technologie, Joystick Piloting, VesselView-Überwachung und Skyhook-Steuerungen stellen den aktuellen Stand der Technik bei Mercury dar und sind natürlich auch für den V12 Verado verfügbar.

Kraftstoffeffizienter Betrieb

Mehrere weitere verbesserte Mercury-Technologien arbeiten zusammen, damit der V12 Verado Außenbordmotor laut Hersteller eine sehr gute Kraftstoffersparnis und Reichweite liefern kann. Dazu gehört, dass die volle Leistung auch mit 87-Oktan-Benzin abrufbar ist, plus effiziente Merkmale wie ein hydrodynamisches Getriebegehäuse und ein geschlossenes Kraftstoffsystem, damit der Kraftstoff beim V12 Verado-Außenborder länger reicht. Die „Advanced Range Optimization“ passt die Kraftstoffzufuhr für die bestmögliche Effizienz an.

Auffällig ist das schlanke Design des großen Motors. Er ist serienmäßig in den Lackierungen Phantom Black, Warm Fusion White, Cold Fusion White und Pearl Fusion White verfügbar und kann auch in den Wunschfarben individuell lackiert werden.

Foto: Mercury Marine

Digital Throttle & Shift (DTS) der nächsten Generation

Das neue DTS-System vereint den Hersteller-Angaben zufolge, ein verbessertes Betriebssystem, verbessertes ergonomisches Design für die elektronischen Fernbedienungen (ERC) und zusätzliche benutzerfreundliche Funktionen. Sechs Jahre Entwicklungszeit stecken nach Aussage eines Mercury-Technikers in dem System. Dazu gehören auch die Aktivierungs- und Einstelltasten für Active Trim, die jetzt in die DTS-Steuerbasis der nächsten Generation integriert sind, sodass kein zusätzliches Bedienfeld am Armaturenbrett erforderlich ist. Active Trim passt den Motor-Trimm automatisch und kontinuierlich an Änderungen der GPS-Geschwindigkeit an, um die Leistung, den Kraftstoffverbrauch und die Bedienungsfreundlichkeit zu verbessern.


www.mercurymarine.com/V12

www.sessamarine.com

www.bernico.be

Technische Daten:

Foto: Mercury Marine

Mercury 600 PS Verado

  • Leistung: 441 kW (600 PS)
  • Typ: V-12 Zylinder Viertakt Saugmotor
  • Hubraum: 7,6 Liter
  • Bohrung x Hub: 96 x 87 mm
  • Maximaler Drehzahlbereich: 5600 – 6400 U/min
  • Kraftstoff: Benzin
  • Zündung: elektronisch
  • Lichtmaschine: 150 A
  • Kühlung: Flüssigkeit
  • Ölkapazität 13,3 l
  • Maximales Übersetzungsverhältnis: 2,50:1
  • 2-Gang-Automatikgetriebe (F2-F1-N-R)
  • Leergewicht: 572 kg
  • Rudereinschlagswinkel: +/- 45
  • Lenkung: integriert – elektro-hydraulisch
  • Schaftlängen; 20″/ 508 mm 25″/ 635 mm 30″/ 762 mm 35″/ 889mm

Mein Fazit:

Mit dem neuen Mercury Verado V12 hat der amerikanische Hersteller die Benchmark beim Bau von Außenbord-Motoren ein gehöriges Stück höher gesetzt. Dabei sind es nicht nur die reinen Leistungsdaten, die beeindrucken. Laufkultur, technische Innovationen wie die lenkbare Getriebeeinheit, ein sehr wartungs- und installationsfreundlicher Aufbau des Aggregates und seiner technischen Komponenten, sowie eine attraktive, hochmoderne, technische Peripherie via DTS der zweiten Generation machen aus dem neuen Verado V12 ein sehr attraktives Gesamtpaket, das wir mit Sicherheit in naher Zukunft an zahlreichen neuen Yachten sehen werden.

Christian Schneider