Test Nord Star 28 Patrol Super Sports
Knapp 50.000 Einwohner zählt „Kokkola“, die Wiege der Nord Star-Boote an der Westküste Finnlands in der Provinz „Ostrobothnia“. Seit Jahrhunderten hat es das dort lebende Völkchen verstanden, sich mit dem Meer und dessen Widrigkeiten auseinanderzusetzen. Auf dieser Tradition basiert auch die Linex-Boat Oy, die sich bereits seit den 20er Jahren des zurückliegenden Jahrhunderts dem Bootsbau verschrieben hat.
Gründer Sivert Lindkvist legte den Grundstein der Werft mit Holzbooten der Länge fünf bis zehn Meter. Seine Söhne Rude und Sven traten in Vaters Fußstapfen, begannen allerdings schon sehr früh mit dem Bau von Glasfiberbooten. Heute, in dritter Generation, hat Olli Lindkvist Linex-Boat zu einem supermodernen, hochtechnologischen Unternehmen entwickelt, das sich weltweit bester Reputation erfreut und auf eine Gesamtproduktion von annähernd 3.500 Schiffen verweisen kann. Mit Schwerpunkt auf den Freizeitbereich, aber auch Arbeits- und Behörden-Boote, sowie Rettungseinsätze für Feuerwehr und Wasserschutzpolizei.
Fahreigenschaften
Das, was die Linex-Werft mit dieser „Nord Star 28 Patrol Super Sports“ während der Finnboat Floating Show in Nauvo, im „Archipelago“ vor Turkus Küste präsentierte, war alles andere, als es der Norm und dem Standard der Nord Star-Serie entspricht. 515 kW (700 PS), verteilt auf zwei Mercury Diesel QSD 350, rumorten im Rumpf dieses Neun-Meter-Bootes. Wirft man einen Blick auf die Preisliste des deutschen Importeurs Cramer, dann werden dort zwei Motor-Varianten gelistet, nämlich Volvo-Penta-Diesel D6 der kW-Kategorien „243“ und „272“ (330 und 370 PS) als Singleanlagen. Linex-Boat selbst gestattet „normalerweise“ 298 kW (405 PS). Doch da bekanntlich des Kunden Wille sein Himmelreich ist, und das in diesem Fall auch noch in Russland liegt, bitteschön, dann soll‘s eben so sein. Die Cramer Boote GmbH ist bei diesem Projekt übrigens „außen vor“, diese 28 wurde über den finnischen Markt geordert.
Sei’s drum, jeder normal denkende Eigner würde an dieser Stelle zur These tendieren, „völlig übermotorisiert“ – könnte man meinen. Ja und nein. Linex-Boat spricht unter günstigsten Voraussetzungen bei 405-PS-Motorisierung von einer maximalen Geschwindigkeit um die 78 km/h (42 kn). Unser Test-Ergebnis unter Vmax, 85,6 km/h (46,2 kn). Spätestens jetzt darf die berechtigte Frage nach dem Sinn von knapp 300 PS mehr Power gestellt werden. Dass das Boot damit problemlos klarkommt, spricht fürs Produkt. Doch unterm Strich reduzieren Mehrgewicht, größere Tanks und, und, und, die Effizienz auf ein Minimum. Unsere Empfehlung, sich an die von Cramer-Boote halten und auf dem Teppich bleiben.
Dennoch, Test ist Test und wir setzen uns damit auseinander. Nochmal: Übermotorisiert hin oder her, die 28 kann’s ab. Gehen wir gleich in die Vollen. Hebel auf den Tisch, 3,5 (!) Sekunden, Gleitgrenze gepackt, und das bei einem Testgewicht von rund sechs Tonnen. Die Drehzahlmesser schnellen auf 4.200 U/min hoch. Man mag sich gar nicht vorstellen, welche Kräfte dabei auf den Spiegel wirken. Gefühlvoll die Drehzahl reduziert, den Trimm der beiden Bravo III-Antriebe ganz nach unten genommen, 1.850 U/min liegen an, der Rumpf hält so gerade im Planen. Dauerhaft ist diese Fahrt nur bei optimalen Verhältnissen, sprich „Ententeich“ durchzuhalten, aber immerhin, 27,8 km/h, (15 kn) signalisiert das GPS.
Einen Zahn zugelegt, 2.500 U/min, 56,7 km/h (30,6 kn). Optimale Cruising-Speed, die auch bei Wind- und Wellenverhältnissen der Kategorie 3 – 4 permanent anliegen kann. Dabei spielt es kaum eine Rolle, ob die eine oder andere Wellenamplitude `mal mehr oder weniger exakt angesteuert wird. Für diese Bootslänge haben wir es mit einem überzeugenden Rumpf zu tun, der unter gegebenen Umständen so ziemlich alles platt bügelt, was sich ihm in den Weg stellt. Sauber wird das Wasser zur Seite gedrückt, selbst Crewmitglieder, die jetzt auf dem Vorschiff stünden, würden von überkommender Gischt verschont werden.
Und wenn wir es schon mit gegebener, verrückter Motorisierung zu tun haben, dann soll die 28er Patrol auch zeigen, was in ihr steckt. Voll voraus, 4.200 U/min, den Trimm knapp bis zur Hälfte seines Spektrums angezogen, 17 Sekunden durchhalten, 85,6 km/h (46,2 kn) liegen an. Werftseitig wird sogar vom Kratzen an der 90-km/h-Marke berichtet. Okay, das mag durchaus sein, waren wir doch mit vier Personen an Bord, die Tanks reichlich voll gebunkert plus das eine oder andere Ausrüstungs-Equipment.
Gerade aus kann (fast) jeder. Was aber passiert mit dieser Power und hart gelegtem Ruder, 4¼ Umdrehungen von Seite zu Seite? Nix! Die Patrol legt sich mächtig auf die Backe, das Freibord auf der Kreisinnenseite wird auf ein Minimum reduziert, auch an Geschwindigkeit werden logischerweise Federn gelassen und mit knapp vier Bootslängen sind wir einmal um 360° `rum. Chapeau!
Drehen auf dem Teller mit gegenläufigen Maschinen – was sonst?! Aus ruhender Position und vollem Rudereinschlag, die Gaszufuhr sukzessive bis zum Anschlag gesteigert, keine Kavitation. Abrupte Kurswechsel durch schnelles Umsteuern, auch kein Thema. Die leichtgängige, hydraulische Ruderanlage macht dies per einem Finger möglich. Sprung über die Wellenkämme mit sattem Wiedereintauchen, ohne Geschepper, rappeln oder dröhnen, einfach satt und Vertrauen einflößend. Alles in allem, erste Sahne!
Ausstattung und Verarbeitung
Unter Würdigung der Fahreigenschaften und in Anbetracht der Motorisierung, sollte in punkto Qualität und Verarbeitung jeglicher Fauxpas ausgeschlossen sein. Und dem ist auch so. Typisch skandinavisch, ohne Schau und Schnörkel, einfach solide. Dies trifft gilt sowohl für den aufwändigen Einsatz von Teakholz an und unter Deck, das GfK-Finish, die Polsterarbeiten, elektronische und mechanische Installationen, den Motoreneinbau und das Edelstahl-Equipment.
Der Niedergang in die Unterflurkabine mit großem Doppelbett wurde bei der neuen 28 an Bb. belassen, allerdings unter den Beifahrersitz direkt neben der Seitentür verlegt. Die Pantry mit zweiflammigem Dieselkocher, Spüle und Kühlschrank, ebenfalls an Bb. eine Etage tiefer, direkt vor der Bugkabine, die sich als V-Variante oder umbaubar zum Doppelbett anbietet. Gegenüber der Pantry der Sanitärbereich mit Dusche und Toilette. Der Decksaufbau, eine Kombination aus Ruderhaus und Salon, mit großer, achterlicher U-Sitzgruppe. Für diese Nord Star typisch, die zentrale, mittige Stange vom Boden bis unter die Decke. Daran nicht störend festgeklemmt die Tischplatte.
Besten Seitenhalt garantieren die klappbaren Armlehnen an Fahrer und Copiloten-Sitz. Ergonomisch die Position des Rudergängers, dem trotz des geschlossenen Aufbaues stets beste Rundumsicht gewährt wird, dank der großen Fensterflächen, die in einer achterlichen Schiebeeinheit gipfeln. Neben den beiden Seitentüren sorgen zwei zusätzliche Dachluken für Frischluftzufuhr. Griffig das verstellbare Holzruder, bestens einsehbar sämtliche Armaturen, Kartenplotter und gut zu bedienen die diversen Kippschalter, das Bugstrahlruder und die Schaltung.
Kurz und direkt der Weg auf die breiten Gangbords durch die seitlichen Schiebetüren. Von dort aus barrierefrei der Zugang zum achterlichen Cockpit mit insgesamt vier Backskisten. Zweimal seitlich, einmal mittig und eine hinter dem Ruderhaus. Hydraulisch zu öffnen der Motordeckel, steuerbords der Durchgang auf die relativ große Badeplattform. Auf dem Vorschiff schließlich das große Bugspriet mit üppigem Ankerkasten und elektrischer Winsch. Geräteträger, stabile Reling, Handläufe, ordentliche Festmacherbeschläge, Stauräume satt wo immer möglich, die Dachverlängerung nach achtern und das Biminitop runden den positiven Eindruck ab.
Mein Fazit:
Konstruktion/Design | Linex-Boat Oy |
---|---|
Herstellerland | Finnland |
Motorisierung Test KW (PS): | 2 x Mercury Diesel QSD 350, kW 257 (350 PS) |
Antriebsart | Heckantrieb |
Preis Standard/Testschiff: | k.A.€ |
-
9,3m
-
3,1m
-
0,95m
-
3,05m
-
243 -2 x 257KW / 330 - 2 x 350PS
-
GFK
-
600 (400 = Standard)l
-
125l
-
6000 (4300 Standard)kg
-
B
-
8
-
2 + 1
-
4 +2