Test Tohatsu MFS A 115

Mit einer neuen Motoren-Baureihe in der Leistungsklasse von 75 bis 115 PS erweitert der japanische Hersteller Tohatsu sein Außenborder-Portfolio aus eigener Entwicklung. Seit Dezember 2020 ist die Modellreihe in Deutschland über den Importeur, die Firma Friedrich Marx Gmbh & Co. KG aus Hamburg verfügbar. Die Redaktion des MotorBoot Magazins hatte die Gelegenheit, dem neuen Druckerzeuger aus dem Land der aufgehenden Sonne auf den Propeller zu fühlen. Das Test-Boot wurde uns dafür freundlicherweise von den Pantaenius-Yachtversicherungen zur Verfügung gestellt.

Mehr Druck in der Mittelklasse

Zwei-Liter Vierzylinder-Motoren sind angesichts hubraumstarker V8 und V 12 Motoren der neuesten Generation in Mehrfachausführung längst kein Superlativ mehr. Doch eben diese Motorenklasse bringt den kompakten Pilothouse-Kreuzer des Anglers ins Revier, die Familie im Daycruiser aufs Wasser, den Wakeboarder am Sportboot aufs Brett und das Pärchen im Cabin-Cuddy in die einsame Ankerbucht. Motoren dieser Größenordnung sind die Arbeitspferde der Hersteller, das Fundament des Verkaufserfolgs und müssen oft an der Leistungsgrenze zeigen, was sie können und aushalten. Eine Motorenkategorie, bei der beim Boots- und Motorenkauf der Blick auf die Preisliste entscheiden kann, ob mit etwas mehr oder weniger Leistung souverän oder schon am Leistungs-Limit gefahren wird. Gewicht, Preis, Motorleistung, Schubkraft, Zuverlässigkeit – hier ist das Gesamtpaket entscheidend, die Herausforderung bei der Entwicklung dementsprechend groß.

Bisher endete das Portfolio der Tohatsu Motoren-Eigenentwicklungen bei einer Motorleistung von 60 PS. Leistungsstärkere Motoren wurden zwar ebenso unter dem Tohatsu-Label angeboten, unter der dunkelblauen Motorhaube steckte aber „silberne“ Technik von Honda. Mit den neuen Mittelklasse-Motoren knüpft Tohatsu jetzt an die bisherigen Eigenentwicklungen an. Insider-Infos zufolge steht auch die Präsentation einer weiteren, daran anschließenden Baureihe bevor.

Die Marke

Tohatsu gilt hierzulande eher als der Underdog unter den Außenbord-Motorenherstellern. Zu Unrecht, denn unter Kennern haben die Tohatsu-Motoren den Ruf, langlebige Dauerläufer zu sein. Ursache dafür ist nicht zuletzt die Historie: In den Anfangsjahren des Serienbaus ab 1956 wurden Tohatsu-Motoren für japanische Fischer konstruiert, für die die Zuverlässigkeit ganz oben auf der Pflichtenliste stand. Später erfüllten bestimmte Modelle des Herstellers sogar die Anforderungen der internationalen S.O.L.A.S- Zulassung und durften damit beispielsweise auf Rettungsbooten eingesetzt werden. Am 29. Oktober 2014 wurde in den Produktionshallen der Tohatsu Marine Corporation der 3.500.000 Außenbordmotor fertig gestellt, 2016 feierte das Unternehmen 60 Jahre Außenborderbau. Im Bereich der Kleinmotoren ist das Unternehmen aus Tokio eigenen Angaben zufolge heute der nach Stückzahlen größte Außenbordmotoren-Hersteller der Welt, der seine Motoren u.a. auch als OEM-Zulieferer an andere Marken liefert. Heute bilden die Entwicklung und der Verkauf von Außenbordmotoren und Feuerlöschpumpen das Kerngeschäft des Unternehmens ab, das weltweit operiert. Tohatsu-Motoren werden in über 100 Länder exportiert. 2018 wurde ein neues, topmodernes Entwicklungs- und Forschungszentrum eingeweiht.

Neuentwicklung

Bei dem neuen 16-Ventil-Aggregat mit 1995ccm Hubraum handelt es sich um eine komplette Neuentwicklung, die sich insbesondere durch ein neuartiges, geometrisch optimiertes Abgassystem auszeichnet, das den Herstellerangaben zufolge so noch nie in einem Außenborder installiert wurde. Hintergrund der Entwicklung, war der Ehrgeiz, ein besonders durchzugsstarkes Aggregat zu entwickeln, ohne aber dabei den Hubraum über Gebühr zu vergrößern. Das hat praktische Gründe: Mehr Hubraum bedeutet i.d.R. auch immer eine Zunahme der Dimensionen und des Gewichts des Motors, was bei einem Außenborder natürlich kritisch ist.

Neues Abgassystem

Das 4 in 2 in 1 Abgaskrümmer-System

Der neue „4-2-1 Performance Tuned Exhaust“ funktioniert nach dem Prinzip des klassischen Fächerkrümmers, wie er im Motorenbau speziell für Tuning-Zwecke schon lange verwendet wird. Üblicherweise werden die Abgase der vier Zylinder platzsparend in einem „4 in 1“ Krümmer aus den einzelnen Zylindern zusammengeführt. Allerdings hat diese Bauweise negative Nebeneffekte in Bezug auf den Weg des Abgasstroms, der nicht optimal abfließen kann. Beim neuen Tohatsu MFS 115 (und den weiteren Modellen der Baureihe) werden erst die Abgase der Zylinder 1 und 4 zusammengeführt, wie auch die von Zylinder 2 und 3. Die Vereinigung dieser beiden Kanäle erzeugt wiederum einen zusätzlichen Sog, der die weitere Abgas-Strömung aus dem Motor heraus begünstigt, und es dem Motor ermöglicht, frei auszuatmen. Ein schnelleres Hochdrehen des Motors und ein verbessertes Drehmoment soll die Folge sein.

Optionales Zubehör

Zusätzliche Features erweitern die Möglichkeiten bei der Überwachung und beim Einsatz der neuen Baureihe. Sie waren aber auf dem Testboot nicht installiert, weshalb wir sie hier nur kurz vorstellen: Eine optionale Multifunktionspinne verfügt über einen ergonomisch geformten Schalthebel für einfaches und bequemes Schalten sowie einen längeren Griff mit integriertem Trimmschalter für leichtere Manövrierbarkeit. Alle Bedienelemente sind hier integriert.

Ebenfalls neu ist das 4,3 Zoll (10,9 cm) große LCD-Display des Tohatsu Onboard Communication Systems (TOCS). Es wird an den CAN-Bus angeschlossen und kommuniziert direkt mit der Motorsteuerung und zeigt Motordaten, Fehlercodes und Alarme an. Optional können auch weitere Daten wie Drehzahl, Kraftstoffverbrauch, Tankanzeige, Geschwindigkeit oder Trimm angezeigt werden.

Fahrtest

Mit einer Motorisierungsempfehlung von 100 PS, einer Maximalmotorisierung mit 135 PS bei einem maximalem Motorengewicht von 195 kg. lt. Hersteller-Spezifikation, passt unser Test-RIB ideal, um einen Fahr-Eindruck vom neuen Motor zu bekommen.

Optisch macht der neue Tohatsu am Heck des RIBs eine gute Figur und dürfte sich mit seiner schlanken Silhouette und den fließenden Linien auch bei anderen Booten in die Linienführung einfügen. Der Motor ist mit Langschaft und Ultra-Langschaft verfügbar. Im Vergleich zu den Mitbewerbern bewegt sich der Tohatsu MFS 115 in Bezug auf den Hubraum und das Trockengewicht mit 1995 ccm und 178 kg (Langschaft) im soliden, klassenüblichen Mittelfeld, und macht damit eine Punktlandung in Bezug auf eines der Entwicklungsziele.

Beim Start des Motors meldet sich der Vierzylinder mit erwachsenem, kernigen, aber nicht aufdringlichem Brummeln. Im Manövrierbetrieb, sowie in der Verdrängerfahrt passt die Abstimmung. Hier spricht der Motor weich und berechenbar aufs Gas an und erfreut mit sanftem Einkuppeln und Umsteuern. Im unteren Drehzahlbereich lässt sich das Boot gelassen fahren und locker auch im Standgas manövrieren. Eine besondere Sensibilität am Gashebel oder gar Zweifingerbetrieb ist hierbei nicht erforderlich, Grobmotorik ist aber ebenso unangebracht.  Ab einem gewissen Punkt hält der Motor das Versprechen der Tohatsu-Entwickler und erwacht mit spontaner Gasannahme und druckvollem Antritt zum Leben. Mit etwas Druck am Prop flutscht das RIB geradezu in die Gleitfahrt.

Wer gar den „Hebel auf den Tisch“ knallt, erlebt diesen Übergang quasi aus dem Stand heraus. Gashahn auf, Nase hoch und ab dafür! Das kernige Knurren verwandelt sich in ein garstiges, aber nicht lautes Röhren, und ohne dass sich das Boot lange mit Mätzchen wie einer Halbgleitphase oder ähnlichem Klimbim abgibt, geht’s auch schon mit 4000 U/min und bummelig 26 Knoten Speed im langen Bogen die fast spiegelglatte Elbe hinauf. Ein Blick zurück auf die Motorhaube – ja in der Tat: Da steht „nur“ 115 und nicht 130 drauf. Unser japanischer Freund am Heck hat wirklich ordentlich  „Bumms“!

Der Drehzahlbereich zwischen 3500 und 4000 U/min erweist sich als ideal für eine zügige und gut fahrbare Reisegeschwindigkeit. Der Kraftprotz am Heck hat feine Manieren und überzeugt mit einer angenehmen Geräuschkulisse, die fast von den Wind- und Wassergeräuschen überdeckt wird, und blitzsauberer Laufkultur. Wir belohnen das mit einem Schluck Superbenzin und drücken den Gashebel weiter nach vorne. Mit sattem, linearem Druck presst der Tohatsu die Fuhre die Drehzahlleiter empor, und erst jenseits der 5000 U/min kurz vor dem Erreichen der Nenndrehzahl nimmt der Schub etwas ab. 33 Knoten (ca. 61 km/h) stehen bei 5500 U/min mit dem ans Heck getrimmten Motor auf dem GPS, auf ca. 5700 klettert die Drehzahl, wenn das Aggregat feinfühlig angetrimmt wird. 35 Knoten ca. 65 km/h) sind dann drin – rechnen Sie auf diese Angaben noch gut 2 Knoten (3,7 km/h) für die Fahrt durchs Wasser obendrauf, die uns der Strom des ablaufenden Wassers stiehlt.

Schnelle Reaktion brauchts beim Stoppen der Zeiten der Beschleunigungstests, denn hier kann der Tohatsu richtig zeigen was er kann. In zehn Sekunden aus dem Stand jagt der Motor durch sein Drehzahlband, nach ca. elf Sekunden ist die Höchstgeschwindigkeit erreicht. Eben sieben Sekunden verstreichen, um das RIB aus der Verdrängerfahrt bei 2000 U/min auf 5500 U/min und über 30 Knoten zu katapultieren. Chapeau!

Last but not least noch ein Blick auf die Kraftstoffverbräuche, die wir von dem Bordinstrument ablesen. Und auch hier enttäuscht der Tohatsu mit einem Verbrauch von ca. 0,7 Litern pro nautische Meile (1,852 km) bei einer Drehzahl von 4000 /Umin und ca. 26 Knoten nicht. Gut 1,2 Litern Sprit pro Seemeile werden bei Volllast in die Brennräume eingespritzt.

Mein Fazit:

Der neue Tohatsu MFS 115 kratzt in diesem ersten Fahrtest zumindest gefühlt an der nächst-höheren Leistungsklasse, und liefert ein sattes Drehmoment, das z.B. bei vollbesetzten Booten der entsprechenden Kategorie den Unterschied machen kann. Zudem überzeugt er mit zurückhaltender Akustik, weichem Lauf und einer Abstimmung, die viel Spaß macht, aber auch Einsteiger nicht überfordert. Dabei kann der Motor mit effizienten Verbrauchswerten, einem gelungenen Design und sinnvollem Zubehör punkten. Ein gutes Preis-Leistungsverhältnis ist traditionell ein Merkmal des Herstellers.

Christian Schneider