Nebenwasserstraßen: Der erfolgreiche Kampf um ihren Erhalt
Von einem Paradigmenwechsel des BMVI war in Ausgabe 5/2020 der Verbandsnachrichten die Rede. Doch was genau steckt hinter der erfolgreich durchgesetzten Forderung der Verbände, dass der Bund zukünftig in Form der Bundeswasserstraßenverwaltung für das Nebennetz verantwortlich sein wird? Und wie profitieren die einzelnen Sportbootfahrer/innen und Motorbootvereine vom politischen Erfolg der Verbände?
Fragen, die am besten jemand beantworten kann, der in Berlin beim Gespräch mit dem BMVI dabei war. DMYV-Präsidiumsmitglied Helmut von Veen setzt sich als Leiter des Referates Raumordnung, Umwelt und Infrastruktur schon lange für die Nebenwasserstraßen ein und kennt die politischen Prozesse aus erster Hand.
Herr von Veen, wer ist zukünftig für die Nebenwasserstraßen zuständig?
Durchgängig in der Hierarchie der Wasserschifffahrtsverwaltung soll es zukünftig eigene Abteilungen mit eigenem Personal und eigener Finanzausstattung geben. Das hat natürlich den Vorteil, dass dort entsprechende Fachlichkeit vorgehalten wird, denn mit dem Erhalt und der Entwicklung der Nebenwasserstraßen werden auch andere gesamtgesellschaftliche Ziele verfolgt. Ich nenne hier nur die wichtigsten: Ökologie, Umweltschutz, Touristik, regionalwirtschaftliche Entwicklung.

Welche Behörde war denn bisher für die Nebenwasserstraßen zuständig?
Bisher gab es keinerlei offizielle Zuständigkeit für Nebengewässer. Hier war man auf den „good will“ der WSA-Mitarbeiter oder der Amtsleitung angewiesen. Dabei legten die Finanzausstattung sowie die Personalausstattung auch den gutwilligsten WSA-Vertretern enge Fesseln an, denn es galt, dass immer die Berufsschifffahrt Vorrang bei allen Aktivitäten der WSV-Verwaltungen hat.
Welche Verbesserungen für die Nebenwasserstraßen erwarten Sie durch die Zuständigkeit des Bundes?
Unser Bestreben ist es, dass die vorhandene Infrastruktur der Nebenwasserstraßen erhalten bleibt und gepflegt wird. Hier sind insbesondere die Schleusen, der Erhalt der Wassertiefen und der sie stützenden baulichen Anlagen zu nennen. Auch eine Modernisierung und Automatisierung der Schleusentechnik würde die Nebenwasserstraßen zukunftsfähig machen.
Dort, wo ein Ende der Nutzbarkeit drohte, wanderten viele Skipper schon ab oder gaben ihr Hobby auf.
Ging es beim Engagement des DMYV in den vergangenen Jahren darum, dass die Nebenwasserstraßen zu wenig Aufmerksamkeit seitens der Verwaltung erhielten oder gar darum, dass eine Sperrung einiger Nebenwasserstraßen für Sportboote drohte?
Beides ist richtig! Grundsätzlich hat die öffentliche Hand über Jahre zu sehr sparen müssen. Dies ist auch an der Wasserschifffahrtsverwaltung nicht vorbeigegangen und hat dort insbesondere die Personalausstattung getroffen. Gelder waren oft vorhanden, aber für die Projektierung oder Begleitung von Baumaßnahmen fehlte das Personal. Nicht einmal Instandhaltungen konnten garantiert werden, so dass für einige Nebengewässer dies ein Ende der Befahrbarkeit bedeutete. Und dort, wo ein Ende drohte, wanderten viele Skipper schon ab oder gaben ihr Hobby auf.
Können zukünftig – je nach Umsetzung des Konzeptes – auch die an Nebenwasserstraßen anliegenden Vereine von der neuen Entwicklung profitieren?
Oh ja! Es gibt bei den Wassersportler/innen ein hohes Maß an ehrenamtlicher Arbeitsbereitschaft. Mit viel Herzblut, Arbeitskraft und eigenen Finanzmitteln haben sie in der Vergangenheit tolle Anlagen und Anleger für die Freizeitschifffahrt geschaffen. Diese verkommen zu lassen, wäre eine Sünde! Jetzt gibt es für diese Clubs und Anlagen aber wieder eine Perspektive. Es gibt eine realistische Hoffnung auf den Erhalt ihrer Reviere. Ob auch Hafenausbaggerungen zukünftig über die Wasserschifffahrtsverwaltungen veranlasst, finanziert oder durchgeführt werden, kann ich zurzeit nicht sagen. Dies ist ein weiteres wichtiges Thema des DMYV zusammen mit den anderen Wassersportverbänden beim BMVI. Hier sind wir dabei auch eine Lösung zu finden. Grundsätzlich möchte ich hier anmerken, dass der Deutsche Motoryachtverband bei seinen Aktivitäten für die Freizeitschifffahrt auf sehr viel Verständnis und positiven Willen bis hin zur Staatssekretärsebene stößt und wir zuversichtlich sein können, dass Freizeitschifffahrt eine wichtigen gesellschaftlichen Wert bietet, den der Bund auch erkannt hat.
In den Pressemeldungen rund um das Gespräch war die Rede von einem „eigenen Haushaltstitel“ des Bundes, also einem eigenen Geldtopf nur für die Nebenwasserstraßen. Weshalb ist das so wichtig?
Bisher stand die Freizeitschifffahrt bei der Verteilung von Finanzmitteln und Personalbedarf immer im Schatten der Berufsschifffahrt. Jetzt endlich sagt die Politik durch ihr Bekenntnis zu den Freizeitwasserstraßen, dass hier Handlungsbedarf besteht und die Freizeit auf und an den Gewässern breiten Teilen der Bevölkerung und der regionalen Wirtschaft dient.
Wir werden großen Wert darauf legen, dass nicht nur augenblickliche Nutzungszahlen die Investitionsentscheidungen prägen.
Der zuständige Staatssekretär im BMVI sagte Ihnen beim Treffen in Berlin einen Masterplan für die Nebenwasserstraßen zu. Wissen Sie bereits mehr über diesen Masterplan des Ministeriums?
Wäre die Corona-Krise nicht gekommen, hätte ich Ihnen sicherlich hier schon eine umfassende Antwort geben können, denn in der Zusammenarbeit mit uns Verbänden sollte bis Ostern hier schon Klarheit geschaffen sein. Ich gehe aber davon aus, dass die Abstimmungen in Kürze beginnen. Wir vom DMYV werden dabei großen Wert darauf legen, dass zusammen mit den Landesgewässern auch neue Reviere erschlossen werden, dass nicht nur augenblickliche Nutzungszahlen die Investitionsentscheidungen prägen, sondern dass Entwicklungspotentiale der Regionen wesentlich die Verteilung der Finanzmittel bestimmen. Vorrang hat aber selbstverständlich die Sicherstellung der Befahrbarkeit der vorhandenen Gewässer.
War ein Ergebnis des Treffens, dass auch Motorbootsport nun stärker im Wassertourismuskonzept berücksichtigt wird?
Sicherlich hat das Treffen auch dazu geführt, dem Motorbootsport einen anderen Stellenwert zu geben. Aber ich glaube, dass besonders das Forum Wassersport beim DOSB mit seinen Stellungnahmen und Erläuterungen hervorragende Arbeit geleistet hat. Hier haben wir zusammen mit weiteren Wassersport- und Tourismusverbänden die ganze Bandbreite der Förderung des Wassertourismus aufgearbeitet und deutlich gemacht, welche gesamtgesellschaftlichen Vorteile die Entwicklung des Wassersportes haben.
Wie ist der Deutsche Motoryachtverband weiterhin in den Entwicklungsprozess involviert?
Wir sind Mitglied im Forum Wassersport bei DOSB und werden dort unsere motorbootspezifischen Vorstellungen und Forderungen einbringen. Der DOSB ist ein Markenzeichen und so werden wir entsprechend auch von der Politik wahrgenommen.
Abschließend noch die Frage zu einem wichtigen Pilotprojekt der bundesweiten Nebenwasserstraßen, die LiLa Living Lahn. Kann dieses Projekt auch als Muster für zukünftige Konzepte des Bundes bei den Nebenwasserstraßen dienen?
Davon bin ich überzeugt, denn hier wir in beispielhafter Weise ein Verfahren zum Ausgleich unterschiedlichster Interessenlagen bei der zukünftigen Nutzung und Gestaltung eines Nebengewässers getestet und praktiziert. Sicherlich wird man zukünftig z.B. im Zeithorizont, in der Zahl der Beteiligten, im Umfang der Gesprächstermine Abstriche machen müssen, um in so umfassenden Projekten praktikabel bleiben zu können. Wichtig ist bei diesem Projekt aber, dass nicht mehr über die Köpfe der Betroffenen hinweg eine Entscheidung der Behörden durchgesetzt wird. Die Bürgerfreundlichkeit speziell der Bundeswasserstraßenverwaltung hat hier ein Vorbild gefunden, das sicher weiter Schule machen wird.
Begriff: Nebenwasserstraßen
Die Definition deutscher Wasserstraßen ist seit jeher aus rein ökonomischer Sicht, nämlich der der Berufsschifffahrt geprägt. Während das Kernnetz die großen, gewerblich relevanten Ströme bezeichnet (z.B. Rhein, Elbe) gibt es laut BMVI drei Unterkategorien an Nebenwasserstraßen. Zum einen die, auf denen noch ein wenig Güterverkehr herrscht (Kategorie D) und jene, auf denen lediglich Freizeitverkehr stattfindet (Kategorien E und F). Insbesondere für die letzten beiden Kategorien machten sich seit Jahren die Wassersportverbände stark, waren hier doch die meisten Defizite zu spüren. Ganz unumstritten ist übrigens der Begriff Nebenwasserstraße auch im Deutschen Motoryachtverband nicht, stellt er doch so manch schönes, ökologisch wie sportlich wichtiges Gewässer in den Schatten der anderen. Eine Vielfalt zweiter Klasse zu verhindern und den Fokus auf die für die Sportbootfahrer/innen wichtigen Flüsse zu lenken, dafür hat der DMYV seit Jahren gekämpft.